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Balenciaga Triple S
  • Posthume Ehrung für Mode-Ikone Cristóbal Balenciaga: Auf Luxus-Tretern ins Klassenzimmer (Archivbild).
  • Foto: Imago

Balenciaga erobert Elbvororte: 700-Euro-Sneaker auf dem Schulhof

Kein Geringerer als Christian Dior bezeichnete ihn als „Meister von uns allen“: Cristóbal Balenciaga war schon zu Lebzeiten eine Fashion-Ikone. 50 Jahre nach seinem Tod ist die vom ihm gegründete Marke auf Bühnen und roten Teppichen heute genauso „in“ wie auf Schulhöfen in Hamburger Elbvororten.

Top-Celebrities wie Kim Kardashian, Dua Lipa und Kanye West tragen „ihn“, sogar die Simpsons sind seinem Charme verfallen. Und selbst Schüler des Gymnasiums Othmarschen präsentieren „ihn“ gerne. Der legendäre Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga starb vor 50 Jahren am 23. März 1972 – die vom Spanier vor über einem Jahrhundert gegründete Marke ist aber heute wieder so angesagt wie kaum eine andere. Dabei drohte die Firma noch Mitte der 1990er in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Inzwischen hat die Marke, die seit 2001 dem französischen Luxuskonzern Kering gehört, nach jüngsten Erhebungen des britischen Modeportals Lyst, sogar Gucci als das begehrteste Label der Welt abgelöst.

Cristóbal Balenciaga setzte über seinen Tod hinaus Maßstäbe in der Modewelt. picture alliance/dpa/Biblioteca Nacional de España | Juan Gyenes
Cristóbal Balenciaga, spanischer Modedesigner, vor einem Fenster.
Cristóbal Balenciaga setzte über seinen Tod hinaus Maßstäbe in der Modewelt.

Vor 127 Jahren fing alles an. Cristóbal Balenciaga wurde am 21. Januar 1895 in ärmlichen Verhältnissen als fünftes Kind eines Fischers und einer Näherin im baskischen Getaria im Norden Spaniens geboren. Im 1300-Seelen-Dorf begeisterte sich der Knirps für Mamas Arbeit. Er machte mit und wurde von Mamas Chefin, der Markgräfin Casa Torres, gefördert. Mit 16 war er Profi. Und mit 22 gründete er 1917 in San Sebastián die Firma Balenciaga.

Rich Kids zelebrieren die baskische Mode-Ikone

Heutzutage sind viele Schuhkollektionen schnell vergriffen. Wer ein Paar ergattert, lässt die heiße Ware oft im Karton und verkauft sie noch teurer weiter. „Sneakerheads“ nennen sich diese geschäftstüchtigen Schuhhändler. Abnehmer finden sie offenbar besonders häufig auf Schulhöfen im Hamburger Westen: „Bei uns am Gymnasium Othmarschen waren vor ein paar Jahren die Sockensneakers total in, man hat sie überall auf dem Schulhof gesehen, obwohl sie mindestens 700 Euro kosten“, erzählt eine 17-Jährige aus dem wohlhabenden Westen Hamburgs. Und jetzt seien eben vor allem die Triple-S-Sneaker ab 775 Euro „in“.

Schuhwerk wohlhabender Schüler des Hamburger Westens: Balenciaga Speed Trainer für 645 Euro. Balenciaga
Schwarze Balenciaga Speed Trainer Schuhe
Schuhwerk wohlhabender Schüler des Hamburger Westens: Balenciaga Speed Trainer für 645 Euro.

Für gewöhnlich gleiten schlichte weiße Sportschuhe über die Flure von Hamburgs Schulen. Besonders beliebt ist ein Dauerbrenner von Nike: Der klassische Air Force One-Sneaker in weiß. An den Gymnasien in den Elbvororten wird es da oftmals extravaganter. „Rich Kids“ lassen sich von den Pariser Modeschauen inspirieren, und so wandern die Designerstücke vom Laufsteg ins Klassenzimmer. Die Mode des seinerzeitigen Star-Designers Balenciaga faszinierte aber schon viel früher stilbewusste Eliten.

König der Haute Couture in den 1950er-Jahren

Der Designer kleidete Hollywood-Diven wie Grace Kelly, Marlene Dietrich, Elizabeth Taylor, Ava Gardner, Greta Garbo und Audrey Hepburn und entwarf exklusive Kleider für die Philanthropin Mona von Bismarck und die Präsidentengattin Jackie Kennedy. Auch das Hochzeitskleid der belgischen Königin Fabiola war von ihm. Mit seiner bahnbrechenden Handwerkskunst revolutionierte Balenciaga in den 1950er Jahren die Modewelt. Der weiblichen Silhouette gab er als Erfinder unter anderem der Melonenärmel, der Ballonröcke, der Sack- und Baby-Doll-Kleider neue Formen. Der avantgardistische, geheimnisumwitterte König der Haute Couture gab keine Interviews. 

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Doch der Mann, dem die Modewelt jahrzehntelang zu Füßen lag, hatte an seinem Lebensende keine glücklichen Jahre. Tief enttäuscht, weil das Prêt-à-porter die Haute Couture immer mehr verdrängte, schloss der Hornbrillenträger 1968 nach 31 Jahren sein Pariser Unternehmen und sagte der Modewelt Adieu. Den Ruhestand unterbrach er dann nur einmal: 1972 entwarf er ein Brautkleid für die Hochzeit von Carmen Martínez-Bordiú, einer Enkelin von Diktator Francisco Franco. Nur wenige Tage später starb er während eines Urlaubs im ostspanischen Badeort Jávea an einem Herzinfarkt.

Balenciagas Aufstieg: Vom sinnlichen Duft zur Weltmarke

Praktisch nur von der Parfümsparte am Leben gehalten, dümpelte die Marke Balenciaga etwa ein Vierteljahrhundert vor sich hin. Bis der Franzose Nicolas Ghesquière 1997 als Chefdesigner übernahm und Balenciaga mit Luxus-Streetwear wie Leggings, Cargohosen und Sport-Stilettos in die führende Riege der Pariser Modehäuser zurückführte. Nach einem dreijährigen Gastspiel von Alexander Wang wurde 2015 Demna Gvasalia zum neuen Kreativdirektor ernannt. Der Deutsch-Georgier aus Düsseldorf bricht ständig mit althergebrachten Codes. Das Enfant terrible machte Balenciaga mit seinem sogenannten Ugly Style schließlich zum Über-Label, zur Lieblingsmarke der modeaffinen Millennials und auch der noch sehr jungen Generation Z.

Homer Simpson stilecht im Balenciaga Outfit in einer zehnminütigen Simpsons-Episode. The Simpsons 20th TV Animation
Homer Simpson in Balenciaga Outfit
Homer Simpson stilecht im Balenciaga-Outfit in einer zehnminütigen Simpsons-Episode.

Im vorigen Herbst ließ Gvasalia bei der Pariser Fashion Week die berühmte Zeichentrick-Familie um Homer, Bart und Maggie Simpson in einer Sonderepisode seine neue Kollektion präsentieren. Die Kollaboration regte der Simpsons-Fan höchstpersönlich an. Ein Jahr waren die Zeichner der Kultserie am Werk. Mittlerweile zählt der zehnminütige Clip neun Millionen Aufrufe auf YouTube. Vor etwa zwei Wochen setzte Gvasalia, der mit zwölf vor dem Bürgerkrieg in Georgien nach Deutschland flüchtete, in Paris als Erster ein Zeichen gegen den Ukraine-Krieg. Er ließ seine Models im künstlichen Schneesturm und teils mit Plastiksäcken in der Hand defilieren. Der mutig-innovative Balenciaga hätte wohl applaudiert. In Getaria im spanischen Baskenland, wo der Designer begraben liegt, hat das 2011 gegründete Balenciaga-Museum anlässlich des 50. Todestages mehrere Sonderausstellungen und Veranstaltungen angekündigt. Und der Streaming-Dienst Disney+ dreht eine Serie über den Basken.

Hamburger Schülerträume: reich sein, schön sein

Die glorreiche Historie ist den „Rich Kids“ aus den Elbvororten in der Regel meist nicht bekannt: „Wer das kreiert hat, weiß ich nicht, aber alle wichtigen Persönlichkeiten tragen Balenciaga. Vor allem können sich das nur Wenige leisten“, bekennt ganz freimütig eine Gymnasiastin vom Gymnasium Hochrad in Othmarschen. In ihrem Freundeskreis sind die neuen Sneaker des Luxuslabels keine Seltenheit. Wer sich die nicht leisten kann, na ja. Diese elitäre Einstellung dürfte ganz im Sinne der Mode-Ikone sein, der folgendes Bonmot zugeschrieben wird:  „Eine Frau muss nicht perfekt oder wunderschön sein, um meine Kleider zu tragen. Das Kleid wird für sie die Arbeit tun.“ (dpa/jb)

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