Wie dieser Hamburger für die Ukraine sein Leben riskiert
Es gibt Menschen, die wachsen in der Krise über sich hinaus. Das gilt ganz sicher für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, für die Klitschko-Brüder und für viele Bürger der Ukraine, die jetzt tapfer gegen einen übermächtigen Gegner ankämpfen. Über sich hinausgewachsen ist aber auch der 61-jährige Martin Hagen aus Wilhelmsburg. Ehemaliger Angestellter einer Spedition, jetzt Frührentner und gehbehindert. Aktuell riskiert er in der Ukraine sein Leben, um Menschen zu helfen.
Von unterwegs hält er die MOPO-Redaktion laufend auf dem neuesten Stand, schickt per WhatsApp Fotos, Videos und Sprachnachrichten. In einer seiner letzten Botschaften sagt er: „Hören Sie das? Wir haben Luftalarm!“ Tatsächlich jaulen im Hintergrund die Sirenen. Ein Glück, dass in seiner Nähe keine Raketen einschlagen.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Es gibt Menschen, die wachsen in der Krise über sich hinaus. Das gilt ganz sicher für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, für die Klitschko-Brüder und für viele Bürger der Ukraine, die jetzt tapfer gegen einen übermächtigen Gegner ankämpfen. Über sich hinausgewachsen ist aber auch der 61-jährige Martin Hagen aus Wilhelmsburg. Ehemaliger Angestellter einer Spedition, jetzt Frührentner und gehbehindert. Aktuell riskiert er in der Ukraine sein Leben, um Menschen zu helfen.
Von unterwegs hält er die MOPO-Redaktion laufend auf dem neuesten Stand, schickt per WhatsApp Fotos, Videos und Sprachnachrichten. In einer seiner letzten Botschaften sagt er: „Hören Sie das? Wir haben Luftalarm!“ Tatsächlich jaulen im Hintergrund die Sirenen. Ein Glück, dass in seiner Nähe keine Raketen einschlagen.
Hier liefert Martin Hagen Hilfsgüter in einem ukrainischen Krankenhaus ab
Hagen erzählt, dass er tags zuvor in Lviv (zu Deutsch: Lemberg) in der Westukraine angekommen sei und Hilfsgüter – Lebensmittel, aber auch Damenbinden und andere Hygieneartikel – im Krankenhaus abgeliefert habe. Auf einem Handyvideo ist zu sehen, wie er spät am Abend auf einem aus Sicherheitsgründen total abgedunkelten Hof des Hospitals die ganzen Pakete an Krankenhaus-Mitarbeiter übergibt. „Die waren ganz glücklich, ganz dankbar und ganz lieb zu mir.“
Hagen hat dann im Krankenhaus schlafen dürfen. „Und ich darf auch heute Abend wieder kommen und hier übernachten“, sagt er. Hagen hat nämlich nicht vor, gleich wieder umzukehren.
Das könnte sie auch interessieren: Hamburger wollte Urlaub machen – und war plötzlich im Krieg
Die MOPO hat schon in der vergangenen Woche über Martin Hagen berichtet. MOPO-Reporter waren auf ihn aufmerksam geworden, als er beim Depot des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Rissen um Hilfsgüter bat. „Ich will wieder in die Ukraine fahren und so viele Lebensmittel, Hygieneartikel, Desinfektionsmittel und Decken mitnehmen wie möglich“, so umriss er seinen Plan.
MOPO-Reporter fragten daraufhin nach, was er mit „wieder“ meint. Ob er denn schon einmal in der Ukraine gewesen sei, seit der Krieg tobt? Und dann erzählte er seine abenteuerliche Geschichte:
Chaos an der ukrainisch-polnischen Grenze: Endlose Wartezeiten, lange Schlangen
Dass er im Urlaub dort gewesen und dann in Kiew von den Angriffen der Russen überrascht worden sei. Da in seinem 16 Jahre alten Mitsubishi Pajero Platz für sechs Mitfahrer ist, hat er Leute mitgenommen, die raus wollten aus der Stadt. „Und später, zwischen Odessa am Schwarzen Meer und Moldawien, habe ich einen regelrechten Shuttle-Service eingerichtet, bin dreimal hin und her gefahren, um so viele Menschen wie möglich über die Grenze zu bringen.“
Wieder zurück in Hamburg habe er erstmal ausgeschlafen, sich mit den Medikamenten versorgt, die er braucht – um dann den Entschluss zu fassen, gleich wieder umzudrehen, und zwar mit so viel Hilfsgütern im Auto wie reinpassen. Genau das hat er dann auch getan.
Krankenhaus in Lviv ist dankbar für Martin Hagens Hilfsgüter
Es vergeht seither kaum eine Stunde, ohne dass Martin Hagen einen Lagebericht an die Redaktion schickt. Er schreibt, dass an der polnisch-ukrainischen Grenze Chaos herrsche: „Vor der polnischen Grenze gibt es eine 20 Kilometer lange Autoschlange – alles Leute, die Richtung Polen fliehen wollen. Und fünf Kilometer lang ist die Schlange der Fußgänger. Wer es endlich rübergeschafft hat, wird in Busse gesteckt und zum nächsten Auffanglager gebracht.“
Wie die Lage in Lviv ist, wollen wir wissen. Er antwortet: Die Stadt sei bisher von Angriffen verschont geblieben. Das Krankenhaus sei aber völlig überfordert. Die Hilfsgüter, die er mitgebracht hat, seien ihm regelrecht aus den Händen gerissen worden. „Hier fehlt es an allem. Die haben hier gar nichts mehr.“
Wie es jetzt weitergeht? „Ich werde Flüchtlinge an die Grenze fahren“, sagt er. „Und zwar immer wieder, so lange, wie ich hier genug Sprit bekomme.“ 370 Kilometer beträgt die Entfernung von Lviv bis Polen. Er erzählt, dass es zwar auch Züge und Busse gibt. „Aber es sind viel zu wenige angesichts der riesigen Zahl von Menschen, die raus wollen. Deshalb ist ein Shuttle-Service sicher eine nützliche Sache.“
Das könnte Sie auch interessieren: Ljubas herzzerreißende Botschaft an die deutschen Freunde
Und seine Einschätzung scheint zuzutreffen, denn schon Minuten später ist sein Auto voll. Eine Frau mit zwei Kindern und einem Hund und zwei nigerianische Studenten aus Kiew nimmt er mit bei der ersten Tour. „Ich fahr‘ jetzt los“, meldet er sich bei der MOPO ab, „ich schreibe dann heute Abend wieder. Versprochen.“
Unglaublich, was dieser Mann da auf die Beine stellt! Wir werden natürlich weiter über die ungewöhnliche Hilfsaktion des Wilhelmsburgers berichten, der in der Krise über sich selbst hinauszuwachsen scheint.