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  • Den Opfern der Pandemie gewidmet: Die Titel- und Rückseite der MOPO am 11.12.2020. Jedes kleine Kreuz steht für einen Menschen, der in Deutschland an oder mit Corona gestorben ist. 
  • Foto: MOPO

20.000 Opfer: Denkt an diese Kreuze, wenn euch die Corona-Regeln zu anstrengend sind

Hamburg –

Alle vier Minuten stirbt ein Mensch in Deutschland mit Corona. Hat Söder neulich vorgerechnet. Und so abstrakt die Zahl doch bleiben muss: Zwischen all dem, was jeden von uns so quält in diesen Tagen, muss Zeit bleiben, diesem Fakt gelegentlich hinterherzuspüren. Weil wir sonst nämlich ein ganz schön eiskalter Haufen wären.

Sterblichkeit gering. Eigentlich nur ’ne Grippe. Betroffen sind ja eh nur Alte und Kranke. Alles übertrieben. Alles ausgedacht. Das Bullshit-Bingo der Corona-Relativierer – es klingelt einem nun seit Monaten in den Ohren. Und man muss nicht mal besonders sensibel sein, um angesichts dessen beizeiten verzweifelt und angewidert zu reagieren.

Wer keine Maske tragen will, soll einfach sagen: Die Corona-Toten sind mir egal

Seit Donnerstag sind nun mehr als 20.000 Deutsche tot, die mit Corona infiziert waren. Wir wissen: Corona tötet allein in Europa Hunderttausende. Wer also keine Maske tragen will oder andere essenzielle Regeln nicht beachten will, soll keine Ausflüchte suchen, sondern einfach ehrlich sagen: Es ist mir nicht wichtig genug, Rücksicht auf das Leben anderer zu nehmen. Das wäre wenigstens greifbar.

Corona Tote Hamburg MOPO

Den Opfern der Pandemie gewidmet: Die Titel- und Rückseite der MOPO am 11.12.2020. Jedes kleine Kreuz steht für einen Menschen, der in Deutschland an oder mit Corona gestorben ist. 

Foto:

MOPO

Aber weg davon, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Der eigene innere Schweinehund, der ist ja die eigentliche Sau.

20.000 Corona-Tote: Zu wenig, um ausreichend Mitgefühl zu entwickeln?

Die Leute sterben. 20.372 bisher (Stand 10.12.). Also ein anständiges Fußballstadion voll. Sind das zu wenig, um ausreichend Mitgefühl zu entwickeln? Oder zu viele? Braucht es mehr Bilder aus Krankenhäusern? Mit Särgen und so? Damit das einem ein bisschen näher kommt? Oder muss erst Oma an der Beatmungsmaschine liegen, damit wir es so richtig spüren? Oder ist das auch egal, weil alte Leute ja eh bald sterben?

Ein Freund hat mir mal vor ein paar Monaten vorkalkuliert, warum er die Pandemie persönlich unbesorgt sieht: „Nur ein bisschen Übergewicht, keinen Bluthochdruck, keinen Diabetes, Mitte 40 – ich bin raus!“ So kann man das sehen. Ist halt nicht so nett Mama gegenüber, wenn man sich deswegen dann gehen lässt. Und ’ne Garantie auf eigene Unversehrtheit gibt’s eben auch nicht.

Corona-Regeln: Wie sehr sind wir noch bereit, uns zurückzunehmen?

Die Wahrheit ist ja: Wir werden da durchkommen. Der Impfstoff, der Frühling, irgendwann kommt das alles. Die Frage ist: Wie viele werden es am Ende sein, die das nicht mehr erleben, weil sie irgendwann keine Luft mehr bekommen haben? 30.000? 40.000? Und macht das für mich und für Sie einen Unterschied?

Und wie sehr sind wir noch bereit, uns bis dahin zurückzunehmen? Mit all den Opfern, die auch das bedeutet? Kleinen und großen: Maske tragen, Abstand halten, Kontakte reduzieren. Und den wirtschaftlichen Folgen, die damit einhergehen.

In den Krankenhäusern ackern Pfleger und Ärzte, um möglichst viele zu retten. Was sie erleben, ist grausig. Und dabei müssen sie noch fürchten, sich und ihre Familien anzustecken.

Feiern, shoppen, böllern: Je mehr wir uns rausnehmen, desto mehr Menschen sterben

Es ist okay für jeden von uns, das alles für kaum mehr aushaltbar zu halten. Weil es ja tatsächlich ein Riesen-Mist ist.

Glühwein, böllern, in vollen Läden shoppen, feiern. Alles schöne Dinge. Na ja, fast alles. Und dagegen steht: Je mehr wir uns rausnehmen, desto mehr Menschen sterben irgendwo. Das ist eben am Ende simple Statistik.

Niemand von uns kann oder muss perfekt sein. Niemand muss sich deswegen zerreiben zwischen Anspruch und Realität. Aber wenn wir mal wieder klagen und diskutieren über Glühweinstände und Pyrotechnik, dann wäre vielleicht ein guter Moment, sich kurz an die vielen Kreuze von unserer Titelseite zu erinnern. Und an die Pfleger und Ärzte, von denen wir hoffen, dass sie uns bestmöglich helfen, wenn wir sie mal brauchen.

Vielleicht ist das dann am Ende doch die schlichte Erkenntnis: Gibt Schlimmeres, als sich noch eine Weile zusammenzureißen und durchzuhalten.

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