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Schutzbedürftige Menschen gehen kurz nach dem Flug aus Kabul zu einem Bus.
  • Schutzbedürftige Menschen gehen kurz nach dem Flug aus Kabul zu einem Bus.
  • Foto: (c) dpa

Zehn Fragen zu Afghanistan: Luftbrücke beendet – und nun?

Die Luftbrücke ist beendet: Am Donnerstagnachmittag sind die vier A400M Transportmaschinen der Bundeswehr zum letzten Mal auf dem Militärflughafen von Kabul gelandet, um Ortskräfte zu evakuieren. Was bedeutet das für die Ortskräfte, die noch in Kabul ausharren? Und wie geht es mit den Geretteten weiter? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum wird der Einsatz jetzt abgebrochen? 

Die USA zieht am 31. August die letzten Truppen ab, allerspätestens dann wird niemand mehr aus Afghanistan ausgeflogen. Deutschland hat am Donnerstag die letzten Evakuierungsflieger starten lassen, den Einsatz nun nach elf Tagen beendet. Die Angst vor Anschlägen am Flughafen wurde am Ende zu groß. Und die Befürchtung bewahrheitete sich am Donnerstag. Vor dem Airport in Kabul gab es zwei Explosionen, mindestens 60 Menschen starben, mehr als 140 wurden verletzt. Unter den Toten sind auch 13 US-Soldaten. „Eine Verlängerung der Mission war nicht möglich“, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). 

Afghanistan: So geht es mit den Ortskräften weiter

Wie viele Menschen hat Deutschland ausgeflogen? 

Laut Angaben des Auswärtigen Amtes hat die Bundeswehr mehr als 5300 Personen aus 45 Nationen ausgeflogen. Darunter über 500 Deutsche und über 4000 Afghanen. Insgesamt sind Angaben der US-Regierung zufolge seit Mitte August fast 100.000 Menschen ausgeflogen worden. 

Wie viele Deutsche und Ortskräfte, die für Deutschland tätig waren, sind noch in Afghanistan? 

Dazu gibt es derzeit keine gesicherte Zahl. Klar ist aber, dass nicht alle Ortskräfte ausgeflogen werden konnten. Gerade Menschen, die nicht direkt in Kabul ansässig waren, hatten nur sehr schwer die Möglichkeit, überhaupt in die Nähe des Flughafens zu gelangen. Laut Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer seien „alle deutschen Soldaten, Diplomaten und verbliebenen Polizisten“ aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen worden.

Was passiert jetzt mit den Ortskräften, die bislang nicht ausgeflogen wurden? 

Die Taliban haben zwar eine Amnestie für Mitarbeiter von ausländischen Militärorganisationen versprochen, doch Experten zweifeln an der Zusage. In den Augen der Taliban haben die zahlreichen Übersetzer, Köche, Sicherheitskräfte oder auch Fahrer für den Feind gearbeitet. Der Übersetzer Ahmad Jawid Sultani hatte bereits Anfang Juli in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben: „Wenn die Taliban an meiner Tür klopfen, hoffe ich, dass sie mich gleich erschießen.“

Gibt es andere Fluchtmöglichkeiten? 

Die Bundesregierung hat angekündigt, dass man die im Land verbleibenden Menschen nicht vergessen werde. „Wir sind mit Hochdruck und Nachdruck dabei, eben Bedingungen auszuhandeln mit den Taliban darüber, wie weitere Ausreisen auch möglich sein werden”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diplomat Markus Potzel bekam von den Taliban die Zusage, dass Afghanen, die ausreisen wollen, auch nach dem 31. August das Land verlassen dürften. Dafür bräuchten sie jedoch die nötigen Dokumente und Visa. Die Grenze zu Pakistan ist derzeit offen – der Grenzübertritt ist aber nur mit Visum möglich.

Was planen die Taliban? 

Die radikalislamistische militaristische Bewegung hat sich bislang noch nicht detailliert zu ihren politischen Zielen geäußert. Sie will nach eigenen Angaben eine „wahre islamische Herrschaft“ auf Grundlage des Scharia-Rechts aufbauen. Laut eines Interviews der „New York Times“ mit einem Taliban-Sprecher solle zum Beispiel verboten werden, dass öffentlich Musik gespielt wird. Frauen könnten perspektivisch jedoch ihre normale Alltagsroutine weiter leben. Ob sich das bewahrheitet, wird bezweifelt.  

Wie geht es den Afghanen, die nach Hamburg kommen?

Jürgen Bredtmann ist Pressesprecher des Landeskommandos Hamburg der Bundeswehr. Er und seine Kameradinnen und Kameraden begleiten die afghanischen Ortskräfte, die vom Bundesamt für Migration Hamburg zugeteilt wurden, auf dem Weg von Frankfurt bis zur Erstaufnahme in Rahlstedt. Müde seien die Menschen, wenn sie in die Busse steigen, für die letzten acht Stunden ihrer langen Reise, so Bredtmann:„Sie haben das erlebt, was wir nur in den Nachrichten sehen. Sie sind seit Tagen unterwegs, viele schlafen erst einmal ein.“ Sogar Säuglinge seien unter den Geretteten und viele Kinder:„Für sie haben wir Kuscheltiere und Malsachen dabei.“ In der ersten Pause komme es schon zu Gesprächen der Erwachsenen mit den Begleitern von der Bundeswehr, auf Englisch oder Deutsch. Eines eint die Evakuierten, so Bredtmann: „Alle freuen sich auf eine heiße Dusche und ein eigenes Bett.“ Bei aller Erleichterung: Die Belastungen sind nicht überstanden, viele bangen um Verwandte und Kollegen, die beängstigende und flehentliche Nachrichten aus Kabul schicken.

So geht es den Afghanen, die jetzt in Hamburg sind

Wie viele Afghanen sind schon hier und wo sind sie untergebracht?

Hamburg hat in der vergangenen Woche als erstes Bundesland die Aufnahmebereitschaft für 250 Ortskräfte erklärt. Bisher sind gut 200 Personen in der Erstaufnahme in Rahlstedt eingetroffen. Die vier Wohngebäude in Modulbauweise wurden 2016 im Zuge der großen Flüchtlingszahlen errichtet und dienten bis 2018 als Erstaufnahme. In jüngster Zeit waren dort Menschen in Quarantäne untergebracht.

Bleiben die, die bereits hier sind, auch dauerhaft in Hamburg?

Nein, das muss nicht so sein. Wie viele der Ortskräfte und ihrer Familien Hamburg am Ende zugeteilt werden, entscheidet das Bundesamt für Migration. Fakt ist: In Hamburg lebt eine große afghanische Community, alle Ethnien des Landes sind hier vertreten. Bei der Verteilung der Geretteten auf die Bundesländer werden familiäre Zusammenhänge berücksichtigt.

Was können die Hamburger tun, die helfen wollen?

Bitte nicht persönlich in der Erstaufnahme auftauchen, auch wenn es gut gemeint ist. Kleiderspenden (derzeit wird nur Kleidung für Männer benötigt, etwa Jeans und Sweatshirts) nimmt Hanseatic Help entgegen: Große Elbstraße 264, dienstags, donnerstags und freitags von 10 bis 18 Uhr. Wer sich ehrenamtlich für die afghanischen Ortskräfte engagieren will, kann sich an das Team zur Freiwilligenkoordination bei Fördern&Wohnen wenden.

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