Geschichten vom Meer: Überlebenskampf auf eisigem Ozean
Dem Trawlerkapitän mit den tätowierten Armen stockte immer wieder die Stimme, als er mir seine Geschichte erzählte. Wenn ihm Tränen in die Augen stiegen, nahm er schnell einen Schluck aus dem Kaffee-Mug.„Seeleute reden nicht gerne“, sagte er, „aber noch weniger davon, was sie empfinden“.
Dem Trawlerkapitän mit den tätowierten Armen stockte immer wieder die Stimme, als er mir seine Geschichte erzählte. Wenn ihm Tränen in die Augen stiegen, nahm er schnell einen Schluck aus dem Kaffee-Mug.„Seeleute reden nicht gerne“, sagte er, „aber noch weniger davon, was sie empfinden“.
Wir saßen auf der Terrasse der Landkneipe „Zur Schleuse“ bei Cuxhaven. Neben uns ein kleiner Leuchtturm und Schafe, vor uns ein Frachter mit Kurs Hamburg auf der Elbe. Was mir Klaus Gerber, Jahrgang 1942, berichtete, ein harter Fischer mit weitem Herz, worüber er zum ersten Mal überhaupt sprach, passte nicht zur Idylle auf dem Deich. Er überlebte den Untergang des Fischereimotorschiffs „München“.
25. Juni 1963, vor Westgrönland. Die „München“ war seit mehreren Wochen auf See, bald sollte es zurück in den Heimathafen in Deutschland gehen. Alles schien Routine zu sein, stürmisches Wetter zwar, typisch Nordatlantik. Doch dann legte sich das Schiff, das als das modernste der Flotte galt, auf die Seite. Ganz langsam, immer mehr.

Was mir Gerber schilderte, das ist der schlimmste Alptraum jedes Seemanns. Das Schiff lief voll. Liter für Liter, Minute um Minute. Es drang wegen einer defekten Rückschlagklappe durch Speigatten ein, durch die Meerwasser eigentlich ablaufen soll. Die Seeleute erkannten das Problem, doch sie kamen nicht dagegen an. Sie pumpten, bildeten Eimerketten, versuchten die Klappe irgendwie zu schweißen. Immer verzweifelter kämpften sie ums Überleben. Doch es nützte nichts. Die „München“ sank im eisigen Ozean.
Drei Grad draußen, das Wasser ähnlich kalt, so trieb der Seemann im Nordatlantik
Die Luft war drei Grad kalt, der Nordatlantik kaum wärmer. Gerber schaffte es mit einigen anderen in eine Rettungsinsel und trieb auf den Wellen. „Ich erlebte das alles wie mit den Augen eines anderen“, erinnerte er sich. Alles so unwirklich. Da war keine Panik. Nur Ungläubigkeit. Die Erkenntnis, was passierte, die sei Tage später gekommen, sagte Gerber. Wie ein Schlag, so hart wie eine Welle.
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Die Crew eines anderen Trawlers, der „Augsburg“, holte die Fischer von der Rettungsinsel. Abends musste Gerber die Toten identifizieren, die man in der Turnhalle des grönländischen Dorfes Faeringehavn aufgebahrt hatte. „Es sah aus, als ob sie schliefen“, erinnerte sich Gerber. Einer seiner Freunde, er hieß Gustav, hielt noch seine Pfeife im Mundwinkel. 27 Fischer waren tot.
Zu ihren Ehren weiht man an diesem Wochenende eine Gedenktafel im „Wrack- und Fischereimuseum Cuxhaven“ ein. Der Untergang gilt bis heute als eine der größten Katastrophen in der Geschichte der deutschen Hochseefischerei. Klaus Gerber verstarb vor einigen Monaten. Unser Gespräch auf dem Deich von Cuxhaven, das werde ich niemals vergessen.