Nordschlepper Nordsee Schiff Wellen

Das Team des Notschleppers „Protector“ leistete einen gigantischen Job. Foto: Kustwacht Nederlande

Tanker außer Kontrolle: 0,6 Seemeilen fehlten bis zur Katastrophe

kommentar icon
arrow down

In meiner letzten Folge schrieb ich über „Roter Sand“, den alten Leuchtturm, der lange vernachlässigt wurde und nun umziehen soll. Als könne man einen alten Turm im Meer einfach so hin- und herschieben wie ein gelangweilter Schachspieler.

Wenig später war ich draußen auf See und habe ihn aus der Nähe gesehen. Geplant war das nicht, ein Sturm trieb uns hin. Wir hatten den Dreimaster „Großherzogin Elisabeth“ für eine Ankerherz-Reise gechartert und wollten nach Helgoland, doch Wind und Wellen standen dagegen. „Roter Sand“ statt roter Felsen.

Beinahe Katastrophe auf der Nordsee vor den Niederlanden

Der Leuchtturm sieht aus wie ein Veteran nach der Schlacht, dafür braucht man kein Gutachten eines Gutachtens. Er sieht rostig aus. Wenn nicht bald etwas passiert, hat sich das Thema Umzug erledigt, aber vielleicht ist das ohnehin der Plan.

Während wir mit dem Segelschiff Richtung Bremerhaven schaukelten, wo wir den Sturm in aller Gemütlichkeit aussaßen, ereignete sich auf der Nordsee vor den Niederlanden beinahe eine Katastrophe. „Beinahe“ meint, dass 0,6 Seemeilen zur Kollision fehlten. Das sind 1,1 Kilometer – also sehr wenig Platz in einem starken Sturm auf der Nordsee.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.


Der Tanker „Eva Schulte“ der Hamburger Reederei Bernhard Schulte, 145 Meter lang, unter der Flagge Singapurs mit Heizöl unterwegs, meldete einen Ausfall der Maschine und trieb auf „Hollandse Kust Zuid“ zu, den größten Windpark der Niederlande. Versuche, die Drift durch Werfen der Anker zu stoppen, scheiterten. Der Kapitän weigerte sich, seine 21 Mann starke Besatzung evakuieren zu lassen. Zwei Helikopter der Coast Guard gingen auf Stand-by. Mehrere Einheiten der niederländischen Seenotretter und der in der Nähe des Windparks stationierte Notschlepper „Protector“ trafen ein.

Dann wurde es kritisch. Versuche der „Protector“-Besatzung, eine Leinenverbindung herzustellen, scheiterten. Zu stark der Sturm, zu hoch die Wellen. Meile für Meile trieb der Tanker auf die Windräder zu. Erst gegen 23 Uhr, nach drei Stunden, gelang es den Rettern, den Havaristen „auf den Haken zu bekommen“, wie es in ihrer Sprache heißt. Sie schleppten ihn vom Windpark weg und hielten ihn auf einer sicheren Position. Der Crew der „Eva Schulte“ gelang es schließlich, den Motor wieder zu starten und in den Hafen von IJmuiden zu fahren.

Das könnte Sie auch interessieren: Die gefährliche Reise durch die Nordostpassage

Manchmal liegen zwischen einer Katastrophe für einen Küstenabschnitt und einer Meldung, die in den meisten Medien als kleine Nachricht auftauchte, weniger als eine Seemeile. Mein Respekt gilt dem Mut und den Nerven der Bergungsspezialisten.

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test