Rungholt oder die wahre Legende aus dem Watt
Als ich die Nachricht las, konnte ich sie zunächst nicht glauben. „Forscher finden Kirche von versunkener Siedlung Rungholt“. Bitte was? Unmöglich! Doch da stand es, und auf der Seite der Universität Kiel gab es Fotos von Wissenschaftlern im Watt. Das war kein künstlich intelligent fabrizierter Unfug, keine Falschmeldung und kein Klickmittel. Die Kirche von Rungholt, entdeckt vor Hallig Südfall.
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Als ich die Nachricht las, konnte ich sie zunächst nicht glauben. „Forscher finden Kirche von versunkener Siedlung Rungholt“. Bitte was? Unmöglich! Doch da stand es, und auf der Seite der Universität Kiel gab es Fotos von Wissenschaftlern im Watt. Das war kein künstlich intelligent fabrizierter Unfug, keine Falschmeldung und kein Klickmittel. Die Kirche von Rungholt, entdeckt vor Hallig Südfall.
Seit ich ein kleiner Junge bin, fasziniert mich diese Geschichte und ich habe alles darüber gelesen. Rungholt, das nordische Atlantis, die versunkene Stadt. Angeblich eine der reichsten Siedlungen des Mittelalters, die im Januar 1362 in einer gewaltigen Sturmflut – der „Groten Mandränke“ fortgespült wurde mit allem Leben.
Wer nur ein bisschen Herz hat für maritime Dinge, muss diese Sage einfach lieben. Mehr als eine Legende gab es über Jahrhunderte auch nicht. Der Mythos einer reichen Stadt, die sich die Nordsee holte. Der Pfarrer Anton Heimreich von der Insel Nordstrand schrieb die Sage 1634 auf, und dann passierte lange nichts.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Bis der Jura-Student Theodor Storm damit begann, Lieder der Heimat zusammenzutragen. Er stieß auf die Legende von Rungholt und widmete ihr 1871 die Novelle „Eine Halligfahrt“. Es geht darin um eine wohlhabende Stadt, deren Einwohner hochnäsig werden und den Allmächtigen erzürnen, bis er sie mit einem Orkan straft. Als eine Warnung. Wenn Schiffer den Ort des Unheils passieren, dann erschaudern sie, denn „aus der Tiefe hören sie es läuten, das sind die Glocken von Rungholt“.
Ein paar Jahre später, 1880, fand ein Fischer große Holzstücke im Watt. Und dann blieb am Pfingstmontag des Jahres 1921 der Bauer Andreas Busch mit seinen Pferden vor der Hallig stecken. Als er die Kutsche wieder flott macht, stieß er auf Pfähle und Erhebungen, die wie Sockel von Warften aussahen. Historiker erkannten später an: Er hatte das legendäre Rungholt gefunden.
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Und nun, im Mai 2023, gibt es den endgültigen Beweis, wo genau die Legende von 1362 spielt. Forscher der Universitäten Kiel, Mainz und des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein entdecken mit Hilfe moderner Technik eine zwei Kilometer lange Hügelkette. Sie sind sicher: Einer der Hügel das Fundament einer Kirche, die knapp 600 Quadratmeter groß war.
Wettlauf gegen die Zeit – Erosion schreitet voran
Was finden die Wissenschaftler wohl noch alles? Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit, denn die Erosion schreitet voran. Dr. Hanna Hadler vom Geographischen Institut der JGU Mainz fordert, die Erforschung dringend zu intensivieren.