Putins unheimliche Spionageflotte
Im englischsprachigen Raum hat sich der Begriff „Sea Blindness“ etabliert. Was bedeutet, dass Öffentlichkeit, Medien und Entscheidungsträger blind sind für die Wichtigkeit des Meeres. Selbst in der Seefahrernation England wusste bei einer Befragung nur jeder Tausendste, dass 90 Prozent aller Waren über den Seeweg kommen.
Im englischsprachigen Raum hat sich der Begriff „Sea Blindness“ etabliert. Was bedeutet, dass Öffentlichkeit, Medien und Entscheidungsträger blind sind für die Wichtigkeit des Meeres. Selbst in der Seefahrernation England wusste bei einer Befragung nur jeder Tausendste, dass 90 Prozent aller Waren über den Seeweg kommen.
Was auf dem Meer passiert, das prägt unser Leben. Alle großen Themen – Globalisierung, Migration, Klimakrise – haben direkt mit der See zu tun. Dazu gehört auch die Sicherheitspolitik.
Doch nehmen wir wahr, wie entscheidend es sein kann, was hinter dem Horizont passiert?
„Shadow Files“, Geheimpapiere, so nennen TV-Sender aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland ihren Report über ein russisches Forschungsschiff. Die „Admiral Wladimirsky“, knapp 150 Meter lang, weiß angestrichen, sammelt offiziell Daten über den Ozean und zum Thema Fischfang. Was die Fernsehsender nun aber dokumentieren, zeigt, dass es um eine ganz andere Mission geht.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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„Admiral Wladimirsky“ ist Teil einer Spionageflotte, die knapp 50 getarnte Schiffe umfasst. Es geht um Offshore-Windparks, Gaspipelines, Strom und Internetkabel und die Frage, wo mögliche Sabotageakte ansetzen können. Der dänische Sender zitiert einen Geheimdienstmitarbeiter, dass Russland längst wisse, wie sich die dänische Gesellschaft paralysieren lasse. Durch die Zerstörung wichtiger Unterseekabel.
In einem Video nähert sich das TV-Team der „Admiral Wladimirsky“ in einem Schlauchboot. An Deck erscheint ein Mann unter einer Sturmhaube, der eine Uniform trägt und ein Sturmgewehr. Vielleicht sammelt man in Russland auf diese Weise Daten über Heringe, aber ich vermute: eher nicht.
In meiner Kolumne schrieb ich vor einigen Wochen über einen Blackout auf Shetland, nachdem Unterseekabel gekappt wurden. Im Seegebiet operierte, welch Überraschung, ein russisches Schiff, angeblich ein Trawler. Die niederländische Marine eskortierte ein Schiff aus ihren Hoheitsgewässern, dessen Crew ungeniert einen Windpark ausgekundschaftet hatte. Ähnliches ist auch aus Belgien bekannt. Russland kartiere kritische Offshore-Infrastruktur und bereitet Sabotage vor, so steht es in einem Report der niederländischen Geheimdienste.
Die „Admiral Wladimirsky“ fuhr zuletzt durch den Kattegat, wobei sie ihr Ortungssystem AIS, das eigentlich verpflichtend ist, ausschaltete. Sie funkt nach Angaben der „Shadow Files“ permanent Daten an eine Marinebasis in Russland.
Auf Anfragen der Fernsehsender reagierte nur Russlands Botschaft in Norwegen. Die Arbeit der Forschungsschiffe sei vereinbar mit internationalem Recht, hieß es lapidar.