Mein erster Flug in einer fliegenden Untertasse
Zu den schönsten Seiten als Reporter des Meeres gehören Reisen auf See. Ich schaukelte mit der „Queen Mary 2“ bei Windstärke 12 nach New York, landete auf dem amerikanischen Flugzeugträger „USS Theodore Roosevelt“ im Kampfeinsatz vor Afghanistan und las an Deck eines Kutters vor Spiekeroog Stories vor. Also, bis diese große Welle kam.
Am liebsten mochte ich Segeltörns auf dem eleganten Dreimaster „Großherzogin Elisabeth“, am wenigsten einen Kurztrip auf einem schwimmenden Plattenbau mit mehr als 5000 Passagieren nach Amsterdam. Die schlimmsten Stürme erlebte ich auf einer Fähre unter Island, auf einem historischen Postschiff westlich von Spitzbergen und an Bord der „MS Deutschland“ südlich der Falklandinseln. Was mir bislang neben dem Abtauchen im U-Boot noch fehlte, war eine Fahrt in einem Luftkissenboot.
Wobei Flug die korrekte Bezeichnung ist, wie ich in der Hafenstadt Ryde auf der Isle of Wight lernte. Seit 1965 startet hier die älteste und weltweit einzige Luftkissenverbindung, die ganzjährig betrieben wird. Das Boot der „Hovertravel“, patriotisch einwandfrei mit dem Union Jack lackiert, erinnert im Inneren auch eher an eine Kurzstrecken-Boeing von British Airways. Dreier-Sitzreihen für 78 Passagiere. Man wartet instinktiv auf den Tomatensaft.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Propelleröhren. Es ruckelt kurz, das Luftkissen pumpt sich vollständig auf, und schon startet der wilde Flug mit 45 Knoten über die Wellen des Solent rüber nach Plymouth. Das entspricht Tempo 83 im Auto und verkürzt die Passage auf zehn Minuten; die normale Fähre braucht eine Dreiviertelstunde. In Plymouth landet das Teil auf einem Strand, unweit eines Riesenrads und diverser „Fish & Chips“-Buden. Very British, diese Erfahrung!
Anwohner beklagten sich über Lautstärke
In Deutschland gab es das auch mal, Start ebenfalls im Jahr 1965. Eine Verbindung von Cuxhaven an den Strand von Sankt Peter Ording. „Westland“ nannte man das Luftkissenboot, 900 PS stark, mehr als 100 km/h schnell, mit Platz für 17 Passagiere. Der Kapitän war extra nach England gereist, um einen Pilotenschein zu machen.
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Allein die Vorstellung, dass ein solches Propellerteil durchs Weltnaturerbe Wattenmeer rast, würde heute den Landesvorstand des Nabu nach Herzkaspern dahinraffen. Auch damals gab es nach anfänglicher Euphorie reichlich Bedenken über die „fliegende Untertasse“.
Im Ordnungsamt von Cuxhaven stapelten sich schon bald Beschwerden der Anwohner, die sich über die Lautstärke beklagten. Dann gab es Probleme mit dem Wetter, Ärger mit der Technik und einen Unfall auf Norderney. Die Reederei beendete das Experiment nach nur einer Saison.
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