Leuchtturm „Roter Sand“: Vom Wert der alten Dinge
Um Deutschlands Gesamtsituation zu beschreiben, eignet sich das Beispiel eines Kreuzfahrtschiffs. Die Tage flockiger Longdrink-Situationen auf dem Sonnendeck sind vorbei. Es wird wieder Zeit für Maloche im Maschinenraum, was aber noch nicht allen klar zu sein scheint. Wind weht stürmisch von Steuerbord, Teile der Mannschaft drehen bereits durch – und auf vielen Decks werden schon die Kotztüten knapp.
Eine Frage der nächsten Jahre lautet: Wofür gibt das Land Geld aus? Was ist uns was wert, abgesehen von notwendiger Verteidigung vor russischer Mafia-Aggression? Viele Dinge, die bislang als selbstverständlich galten, sind es nicht mehr.
Womit wir bei einem alten Leuchtturm wären. „Roter Sand“ in der Außenweser ist mehr als das. Es war das Letzte, was Millionen Auswanderer von ihrer Heimat sahen. Er gilt als erstes Offshore-Bauwerk der Welt; Ingenieure nutzten zwischen 1880 und 1885 erstmals die Methode des Senkkastens (französisch: caisson), um ein Fundament direkt im Meeresboden zu bauen.
„Roter Sand“: Bremerhavener Rechtsanwalt startet Petition
Nordseeklima, Wind und Wellenschlag haben dem Turm zugesetzt, und manch einer wundert sich, wie miserabel er gepflegt wurde. Die „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“, die verantwortlich ist, will den oberen Teil nach einem Gutachten an einen neuen Standort versetzen lassen: Hooksiel, Fedderwardersiel, Wilhelmshaven und Bremerhaven sind als Standorte im Gespräch. Doch dagegen regt sich nun Widerstand.
Der Bremerhavener Rechtsanwalt Dieter Riemer hat eine Petition gestartet, die sich an den Niedersächsischen Landtag richtet. Er argumentiert: Wenn der denkmalgeschützte Leuchtturm auseinandergenommen wird, ist das Denkmal unwiederbringlich zerstört – dessen wichtiges Element eben auch unter Wasser liegt. Er möchte, dass der Turm an seiner jetzigen Stelle saniert wird – und dass Niedersachsen danach vorschlägt, ihn in die Liste des Weltkulturerbes aufnehmen zu lassen.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Eine Sanierung kostet einige Millionen Euro, ein Umzug auch. Ob der alte Leuchtturm diesen Standortwechsel überstehen kann? Mein Verdacht: Manch einer hofft darauf, dass es „Roter Sand“ nicht schafft. In beiden Szenarien wäre viel Geld nötig, um den Turm zu erhalten. Geld, das – dieses Argument kommt zuverlässig wie langweilig in jeder Debatte – auch in Kindergärten gut angelegt wäre.
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Ich finde, dass Bauwerke wie „Roter Sand“ wichtig sind, damit maritime Geschichte lebendig bleibt. Was im Lande der Preußen selten gelingt. Verbunden allerdings mit der Frage, wie der Leuchtturm sichtbarer wird. Vorschriften sehen vor, dass Ausflugsschiffe auch bei ruhiger See Hunderte Meter Abstand halten müssen. Was dieser Unsinn soll, hat mir noch niemand erklären können.
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