Helsinki, Finnland

664.000 Einwohner, viele ziemlich zufrieden: Finnlands Hauptstadt Helsinki Foto: imago/Panthermedia

„Kalsarikännit“ und die glücklichsten Menschen der Welt

In der Welthauptstadt des Glücks trug fast jeder eine weiße Mütze, die mich an einen alten Seemann erinnerte, als ich aus der U-Bahn kam. Es war der 1. Mai in Helsinki, der Tag, an dem „Vappu“ gefeiert wird, eine große Straßenparty zwischen Arbeiterdemo, Frühlingsbesäufnis und Familienpicknick.

„Ylioppilaslakki“, wie die weißen Mützen genannt werden, spielen eine wichtige Rolle. Abiturienten bekommen sie mit dem Abschlusszeugnis und tragen sie an diesem Tag spazieren, je fleckiger und älter, desto besser. Auch diverse Hunde in Helsinki scheinen sehr gebildet zu sein, habe ich beobachtet.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Jedes Jahr erscheint ein „Weltglücksbericht“ der Universität Oxford, und zum achten Mal in Folge liegt Finnland auf Platz 1. Helsinki ist also die Zentrale des Glücks. Die Frage lautet: Warum bloß?

Dunkel, kalt und trotzdem alle glücklich

Die Hälfte des Jahres bleibt es dunkel und so kalt, dass die Ostsee einfriert. Die Landschaft ist ungefähr so spektakulär wie Brandenburg mit Unmengen Mücken, und in direkter Nachbarschaft gibt es einen aggressiven Asi-Nachbarn, dessen Schattenflotte erst vor Kurzem wieder beinahe eine Ölpest vor der Hafeneinfahrt verursachte.

Finnland: Fünf Millionen Eishockey-Fans mit einem Faible für Tango und Heavy Metal, die selbst ins Riesenrad am Hafen eine Sauna eingebaut haben und Rentier-Döner mögen. Doch an diesem Tag im Mai habe ich verstanden, was ihnen wahre Endorphin-Schübe beschert: Gemeinsinn. Freundlichkeit. Miteinander.

Ich schlenderte in Richtung des „Kauppatori“, des großen Platzes, wo die Fähren abgehen, und sah auf dem Weg Fremde, die mit Schaumwein anstießen und auf mitgebrachten Decken Heringssalat futterten. Ich sah keinen einzigen Polizisten.

Deutschland auf Platz 22 im Glücksranking

So schreiben es die englischen Glücksforscher: Bildung ist ein wichtiger Faktor für Glück. Das Vertrauen in die Freundlichkeit anderer Menschen ist es auch, also soziale Beziehungen, die nichts mit den Daumen bei Facebook zu tun haben. Die Wissenschaftler probieren das aus mit dem Portemonnaie-Test: Kann man darauf vertrauen, dass man einen verlorenen Geldbeutel wiederbekommt?

In nordischen Ländern ist dieser Wiedergabe-Wert spitze – in Deutschland übrigens auch. Unser Land liegt auf Platz 22 im aktuellen Glücksranking. Bevor an der Stelle Gemecker losgeht, klar, typisch, nur 22, sei gesagt, dass wir damit vor anderen größeren Nationen wie Großbritannien, Polen, Frankreich oder auch Spanien liegen.

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Vielleicht fehlt also gar nicht viel, um in der Tabelle weiter nach oben zu klettern, wenn wir es mit „Kalsarikännit“ probieren, einer anderen finnischen Spezialdisziplin. Das Wort bedeutet, wörtlich übersetzt: „sich in Unterwäsche zu Hause betrinken“.

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