Zu Besuch bei den Helden von Helgoland
Im Winter, wenn ein schwerer Sturm aufzieht, kann es sein, dass sie vor dem Orkan auf See hinauslaufen. Weil das für ihren Seenotrettungskreuzer sicherer ist, als im Hafen zu liegen, wo ihn Wind und Wellen gegen den Kai drücken könnten. Für die Seenotretter von Helgoland heißt das dann, sich auf Fahrt in einer Achterbahn einzustellen. Acht bis zehn Meter hohe Wellen sind vor Deutschlands einziger Hochseeinsel nicht ungewöhnlich.
Im Winter, wenn ein schwerer Sturm aufzieht, kann es sein, dass sie vor dem Orkan auf See hinauslaufen. Weil das für ihren Seenotrettungskreuzer sicherer ist, als im Hafen zu liegen, wo ihn Wind und Wellen gegen den Kai drücken könnten. Für die Seenotretter von Helgoland heißt das dann, sich auf Fahrt in einer Achterbahn einzustellen. Acht bis zehn Meter hohe Wellen sind vor Deutschlands einziger Hochseeinsel nicht ungewöhnlich.
Sogar 25 Meter wurden schon gemessen. Fünfundzwanzig! Eine Welle also, hoch wie ein Haus mit acht Stockwerken.
Das erzählt Thilo Heinze, 59, der Vormann (also: Chef) der Station Helgoland so sachlich, wie es nur geht. Bloß nicht nach Alarm klingen. Bloß nicht angeberisch. Was er uns zu sagen hat, ist doch schon aufregend genug.
„Spucktüten-Tour“ hatten wir den Kurztrip mit Gästen von Ankerherz genannt, doch die See war ganz ruhig auf der Passage von Cuxhaven. Im historischen Rettungsschuppen begrüßen uns Vormann Heinze und Edda Karhof, „die Mutter der Seenotretter“, wie die alte Dame wegen ihrer Hilfsbereitschaft auf der Insel genannt wird.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Die Wände im Schuppen erzählen Geschichten, die auch davon handeln, wie gefährlich die Aufgabe der Retter ist. Zwischen den alten Fotografien hängt ein Porträt von Bernhard Gruben, der 1995 vor Borkum auf See blieb. Sein Rettungskreuzer wurde von einer gewaltigen Welle erfasst, die ihn mitriss. Gruben hinterließ eine Familie mit fünf kleinen Kindern. „Wir Menschen sind immer das schwächste Element an Bord der Kreuzer“, sagt Vormann Heinze.
Der gebürtige Hamburger ist Chef der Crew der „Hermann Marwede“, des größten Seenotkreuzers der Welt. 46 Meter lang, 9250 PS stark, mit eigenem Bordhospital und einem 32 Knoten schnellen Beiboot, das auch in flaches Wasser kann. Seit sie 2003 in Dienst gestellt wurde, hat das Flaggschiff der Seenotretter mehr als 120.000 Seemeilen absolviert. Umgerechnet fünfmal um die Welt.
Innerhalb weniger Minuten ist die „Hermann Marwede“ einsatzbereit für eines der meistbefahrenen Reviere der Welt. Alle Frachter, die nach Hamburg wollen, nach Bremerhaven oder Wilhelmshaven, müssen an Helgoland vorbei. Knapp 120.000 Schiffe werden jährlich registriert – jede Minute kann es einen Alarm geben: ein Feuer, einen Unfall an Bord, einen Trawler mit Problemen oder einen Wassersportler. 16 Hauptamtliche gehören zur Stammbesatzung, die sich in zwei Crews aufteilt. Es ist eine Art schwimmende Männer-WG auf der Nordsee.
Der Beruf fordert so viel. Was ihm besonders nahe gehe, sagt Vormann Heinze, das seien Unfälle mit jungen Leuten. Und berichtet von einem Segler, der beim Untergang seiner Yacht mit in die Tiefe gerissen wurde, ohne dass ihm die Retter helfen konnten. Das Bild habe ihn lange verfolgt.