Gibt es verfluchte Schiffe vielleicht doch?
Aberglaube gehörte zur Seefahrt wie Rum in den Grog. Konnten sich die Seeleute ein Phänomen nicht erklären, dann musste eine übersinnliche Erklärung her: Seeungeheuer, Sirenen, Geisterschiffe. Heute gibt es dafür Facebook und YouTube und gewisse „Influencer“.
Aber bisweilen geschahen Dinge, die sich schlecht erklären lassen. Mein Freund, der verstorbene Kapitän Jürgen Schwandt, war ein Anhänger der Theorie, dass dies in der Weite der See auch heute noch so ist. Manche Schiffe, da war er ganz sicher, fahren mit Glück übers Meer. Andere nicht.
Trotz GPS, Satellitennavigation, MarineTraffic und Vollautomatisierung bleibt ein Rest Mystik. Gibt es Schiffe, auf denen ein Fluch liegt?
Die traurige Geschichte der „Diamond Princess“
Die „Great Western“, konstruiert vom Ingenieurs-Genie Isambard Brunel, war so ein Fall: Pech und Unglücke von der Werft bis zum Hochofen. Oder die „Melanie Schulte“, ein Frachter aus Emden, die 1952 im Atlantik vor Schottland verschwand, mit 35 Besatzungsmitgliedern an Bord. Wenige Wochen zuvor war der Neubau beim Stapellauf stecken geblieben. Für Seeleute ein furchtbares Omen – manch einer wäre für keine Heuer an Bord gegangen.
Nun lese ich, dass der Kapitän der „Diamond Princess“ während einer Kreuzfahrt vor der Küste Taiwans verstarb. In der Nacht gab es einen Alarm, als der Schiffsarzt und das medizinische Notfallteam gerufen wurden – wenig Stunden später informierte man die knapp 2700 Passagiere per Kabinenbrief, dass der Erste Offizier das Schiff übernahm und in den japanischen Zielhafen brachte. Kapitän Michele Bartolomei, bei Besatzung und Passagieren gleichermaßen beliebt, wurde nur 52 Jahre alt.
Moment, „Diamond Princess“ – da war doch was? Kurz nach Ausbruch von Corona schaukelte das 290 Meter lange Schiff weltweit durch die Schlagzeilen. Die Behörden von Japan stellten es unter Quarantäne – wochenlang durfte niemand an Bord, niemand runter. Zu groß war die Angst vor dem damals neuen Virus.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
Hunderte Menschen erkrankten, sechs starben. Allein dem heldenhaften Handeln des Kapitäns war es zu verdanken, dass keine Panik ausbrach. Kapitän Gennaro Arma hatte mit stabilem Optimismus, Schokolade zum Valentinstag und launigen Lautsprecherdurchsagen das Schlimmste verhindert. Er wurde zum Symbol für Resilienz in der Krise – und sein Schiff ein Beispiel für die Krise auf See.
Das könnte Sie auch interessieren: Von Gold und Rausch und einem alten Wrack
Während der Bauzeit des Kreuzfahrtriesen war es übrigens zu einem Feuer in der Werft gekommen. Fast 40 Prozent des Rumpfes brannten aus. Um den Ablieferungstermin einzuhalten, einigte man sich darauf, mit Teilen des Schwesterschiffs weiterzubauen – es sollte „Sapphire Princess“ heißen – und die Namen zu tauschen. So begann diese Geschichte.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.