Ein Surfer und die Welle der Empörung
Touristen laufen hinaus ins Watt, ohne zu wissen, wie schnell die Flut aufläuft. Segler brechen mit dem alten Schulatlas zum Törn auf die Nordsee auf und Schwimmer ignorieren die rote Warnflagge am Strand. All dies wird passieren in den nächsten Wochen, so sicher wie die Temperaturen steigen.
Danach wird, auch dies ein Naturgesetz, in den sozialen Medien diskutiert werden: Wie kann das sein – und wer bezahlt den Einsatz eigentlich? Solche Fragen sind echten Rettern egal. Sie fahren raus, um anderen zu helfen.
Nun ereignete sich in Großbritannien eine Rettung, deren Nachlauf die Öffentlichkeit so empörte, dass es der Londoner Institution „The Times“ eine große Geschichte wert war. Weil sie manche als Beispiel für grenzenlosen Egoismus unserer Zeit interpretieren.
Fistral Beach in Newquay, Cornwall, ein Nachmittag im März. Ein Surfer wird vom eigenen Board bewusstlos geschlagen. Sein Glück: Ein Rettungsschwimmer, eigentlich außer Dienst, und andere Surfer erkennen sofort den Ernst der Lage.
Geretteter startet Spendenaktion – für sich
Gemeinsam ziehen sie ihn aus den Wellen und einem Rettungsschwimmer der Royal National Lifeboat Institution (RNLI) gelingt es, ihn wiederzubeleben. Wenig später fliegt die „Cornwall Air Ambulance“ den Patienten mit dem Helikopter vom Strand ins Krankenhaus. Ende und alles gut? Nicht ganz.
Der Gerettete startet nämlich eine Spendenaktion. Nicht für seine Retter. Sondern für sich, also für einen neuen Neoprenanzug. Der alte sei schließlich während der Rettung aufgeschnitten worden, schreibt er auf Facebook.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
Was eine Welle auslöst, die der Surfer so nicht kommen sah. Sehr viele Briten, sonst eher bekannt für Gelassenheit, bekommen hektische Flecken. Wütende, sarkastische Kommentare prasseln auf ihn ein, verbunden mit der Frage, ob es sich um einen dämlichen Aprilscherz handele.
Andere rechnen vor, dass der Hubschrauberflug einer Organisation, die vollständig auf Spenden angewiesen ist, im Durchschnitt über 4000 Pfund kostet. Und dass die Seenotretter der RNLI jährlich 191 Millionen Pfund benötigen, um unter anderem die Strände im Vereinigten Königreich abzusichern.
Das könnte Sie auch interessieren: Dieser Ort würde mich an ein unheimliches Fratzenlächeln erinnern
Anders als die britischen Medien verzichte ich darauf, den Namen des Surfers zu nennen, den die Aufmerksamkeit noch einiges kosten dürfte. Immerhin gibt es eine einigermaßen versöhnliche Wendung: Ein Surfshop in Newquay schenkt dem Surfer einen neuen Anzug. Daraufhin kündigt der Mann an, die bereits gesammelten Spenden – insgesamt 350 Pfund von 16 Unterstützern – der Luftrettung zukommen zu lassen. Eine Sprecherin der Cornwall Air Ambulance bedankte sich bereits für die Spende.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.