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Die Besatzung des Frachters „Thamesborg“ sitzt seit drei Wochen in der Nordwestpassage fest. Foto: Kanadische Küstenwache

Die gefährliche Reise durch die Nordostpassage

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Sir Hugh Willoughby hätte wissen können, dass der Auftrag eine ziemlich miese Idee war. Auf dem Schlachtfeld und am Hofe hatte er sich für König Henry VIII als nützlich erwiesen, und so fiel die Wahl der Höflinge, die 1553 den Leiter einer Expedition suchten, auf ihn.

Ziel der Abenteuerreise: eine neue, direkte Handelsroute von England nach China zu erschließen. Für jeden Kapitän ein sehr ambitioniertes Projekt, erst recht aber für jemanden, der überhaupt keine Ahnung von Seefahrt besaß.

Man fand die Crew erfroren im Wildeis

Wer einmal zu oft „Ja“ sagt, bezahlt einen hohen Preis, und so fand man Willoughby und seine Crew ein Jahr später erfroren in der Wildnis der Kola-Halbinsel im Nordwesten Russlands. Das Schiff, das losgeschickt wurde, um die Leichen zu holen, sank auf der Rückreise. Willoughbys Tagebuch aber überstand das alles und erwies sich später als wichtige Quelle für alle, die nach der Nordostpassage suchten.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Mehr als 470 Jahre später wird der Traum des Entdeckers von einer Direktverbindung von China nach England Realität. Der chinesische Frachter „Istanbul Bridge“, 294 Meter lang, wird mit mehreren Tausend Containern an Bord aus Zhoushan zur Reise nach Felixstowe aufbrechen. Danach geht es weiter nach Rotterdam, Danzig – und auch nach Hamburg.

Die Tour von China bis Endland sollte 18 Tage dauern

18 Tage soll das Abenteuer Nordostpassage von China bis England dauern – weniger als die Hälfte der 40 Tage, die der Weg von Ost nach West über den Indischen Ozean dauert. Zeit bedeutet in der Welt der Seefahrt Geld, kürzere Wege sparen Treibstoff. Chinas Staatsorgane jubeln entsprechend über ein „neues Kapitel in der Entwicklung des globalen Schiffsverkehrs“.

Möglich macht die neue Route der Klimawandel, der das Eis schmelzen lässt. Die Reise verläuft komplett im Einflussbereich von Russland und China, weit entfernt vom Operationsgebiet der US-Marine. Doch sie ist gefährlich: Viele Gebiete sind nicht kartiert, tückische Strömungen und Eisberge bedrohen die Reise der „Istanbul Bridge“.

Nun sitzen in der Nordwestpassage Seeleute fest

Und wie kompliziert es wird, wenn etwas schiefläuft, zeigt eine aktuelle Havarie in der Nordwestpassage. Seit knapp drei Wochen sitzen 15 Seeleute des niederländischen Frachters „Thamesborg“ fest, der in Nunavut auf Grund lief. Die Treibstofftanks sind nicht beschädigt, doch auf die Retter, die eine weite Reise zum Havaristen haben, kommt eine harte Aufgabe zu.

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Immerhin kommt Hilfe, die Sir Hugh Willoughby nicht hatte. Umweltschützer warnen vor den Folgen, die eine Ölpest in einem der empfindlichsten Ökosysteme der Welt hätte. Ich fürchte: Derlei Überlegungen sind vielen Reedereien egal.

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