Die berechtigte Wut der Krabbenfischer
Deutschland befindet sich im Streik-Modus wie seit Langem nicht. Wenn jemand zu Recht sauer sein kann, dann sind es die Krabbenfischer. Falls umgesetzt wird, was die EU-Kommission fordert, bedeutet dies nicht nur das Aussterben ihres Berufs. Sondern auch das Ende der Nordseeküste, wie wir sie kennen.
Deutschland befindet sich im Streik-Modus wie seit Langem nicht. Wenn jemand zu Recht sauer sein kann, dann sind es die Krabbenfischer. Falls umgesetzt wird, was die EU-Kommission fordert, bedeutet dies nicht nur das Aussterben ihres Berufs. Sondern auch das Ende der Nordseeküste, wie wir sie kennen.
Die EU-Kommission plant eine Art Totalverbot von Schleppnetzen, die den Boden berühren. Und dies in besonders sensiblen Gebieten wie dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer schon ab März 2024. Manche Umweltschützer beschreiben Szenarien von regelrechten Wüsten auf dem Meeresgrund. Ist das wirklich so?
Ich habe mit Fachleuten wie Gerd Kraus gesprochen, dem Chef des angesehenen Thünen-Instituts, einem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Ja, grundsätzlich ist Fischen mit Grundschleppnetzen eine Umweltsauerei. Aber Achtung: Die kleinen Kutter an unserer Nordseeküste sind mit leichten Gummirollen unterwegs. Ihre Spuren sind oftmals schon nach einer Tide nicht mehr zu sehen. Den Einsatz von schweren Eisenkugeln oder Metallmatten, die den Meeresboden umpflügen, gibt es hierzulande nicht.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Ohne Kutter wird es still in den norddeutschen Küstenorten
Viele Fischer, mit denen ich sprach, sind empört, wenn man sie mit Vorwürfen konfrontiert. „Wir wollen die See schützen“, sagt Stephan Hellberg aus Dorum. Er lebe mit und von der See und würde seinen Kutter „Nixe“ gern an seine Enkel weitergeben.
Knapp 160 Fischer halten noch durch. Wer kann sich Küstenorte wie Neuharlingersiel, Wremen oder Büsum ohne Kutter vorstellen? Es geht nicht nur um das Verbot der Grundschleppnetze, sondern auch um das Verschwinden norddeutscher Küstenkultur, wie sie seit Jahrhunderten existiert. Dass in vielen kleinen Häfen schwarze Kreuze aufgestellt wurden, ist keine Übertreibung. Wer besucht leere, öde Hafenbecken? Hunderte Pensionen, Cafés und kleine Läden wären ebenfalls betroffen. Mag sein, dass sich manche Umweltschützer um eine Austernart sorgen, die seit 90 Jahren ausgestorben ist. Doch wem ist damit geholfen, wenn es demnächst einen Naturpark Norddeutschland voller Arbeitsloser gibt, dessen letzte Restaurants antibiotikagestopfte Garnelen aus Asien beziehen?

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Konzepte, wie Naturschutz, Fischerei und Tourismus in Einklang zu bringen sind, gibt es. Es ist Zeit für Dialog, nicht für Konfrontation. Es geht um Existenzen und Lebensentwürfe von hart arbeitenden Menschen. Politiker von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bis in die Regionalparlamente haben sich in Bewegung gesetzt, um die EU-Kommission zu stoppen. Das ist richtig. Die Fischer und die Küstendörfer brauchen jetzt unsere Solidarität.