Das belgische Fischerboot „Avanti“

Das belgische Fischerboot „Avanti“ wurde von britischen Behörden peinlichst intensiv inspiziert. Foto: Imago

Belgische Fischer, Brexit und Brechreiz

Wie ein Pirat sei er von den Inspektoren behandelt worden, schimpft der flämische Kapitän, so schlecht wie noch nie in 30 Jahren auf See. Ein anderer Skipper berichtet in der Antwerpener Zeitung „Gazet“, dass ihn Uniformierte sogar auf die Toilette verfolgten und beobachteten, was er dort mache.

Es riecht nach Ärger, was den Besatzungen mehrerer Trawler vor der Küste von Cornwall widerfahren ist. Der Vorfall droht sogar, die Gespräche zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union über eine Annäherung nach dem Brexit – etwa in Fragen der Sicherheitspolitik – zu gefährden.

Ein altes Problem der Seefahrt ist aktuell wieder heiß wie selten zuvor

Fünf Kutter mit Heimathafen Zeebrugge waren von britischen Schiffen im Bristolkanal abgefangen worden; man zwang sie, in Newlyn anzulegen, wo man die Kapitäne verhaftete und die Festplatten der Bordcomputer beschlagnahmte. Ohne die Computer dürfen die Trawler aber nicht legal fischen – sie mussten daher nach Belgien zurückkehren. Die Regierung in Brüssel ist darüber empört und hat Protest in London und vor der Europäischen Kommission eingelegt.

„Wir haben kein Problem mit Kontrollen“, sagt Hilde Crevits, flämische Ministerin für Fischerei. Die Art und Weise aber sei beispiellos. „Wir wissen bis heute nicht, was unseren Fischern konkret vorgeworfen wird. Sie sind ernsthaft verängstigt. Unsere Flotte ist klein und verwundbar. Das muss angeprangert werden.“


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Ein altes Problem der Seefahrt, das seit Jahrzehnten vor sich hin köchelt, ist aktuell wieder heiß wie selten zuvor. Die Briten wollen Fischer anderer Nationen aus ihren Fangzonen vertreiben; die EU hingegen verlangt aus London Garantien, dass die Fangquoten für ihre Boote – derzeit machen sie knapp 75 Prozent des gesamten Fangs aus – auch nach Juni 2026 bestehen bleiben. Dann läuft das nach dem Brexit vereinbarte Fischereiabkommen aus.

Wirtschaftlich betrachtet ist die Fischerei im großen Ganzen unbedeutend, von der Symbolkraft ist sie das genaue Gegenteil. Belange der britischen Fischer waren ein zentrales Element der Brexit-Kampagne, befeuert von der Boulevardpresse. Die Erwartungen der Fischer wurden derbe enttäuscht; statt voller Netze und fetter Erträge herrscht Flaute. Sie werden ihren Fang nicht mehr auf dem wichtigsten Markt los.

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Geradezu absurd also, dass um die Fischerei wieder ein Streit entbrennt, der die europäische Einigkeit gefährdet. Frankreich, Belgien und die Niederlande haben deutlich gemacht, dass Verhandlungen über Sicherheit, Verteidigung oder Handel nur möglich sind, wenn die Regierung von Premierminister Keir Starmer Zugeständnisse macht.

Zum Grund der scharfen Kontrollen gibt es von den britischen Behörden noch immer keine Angaben. Man beruft sich auf angebliche Fehler in den Logbüchern. Nicht einmal bei den Ausreden ist man also kreativ.

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