Eine bezahlte Anti-Werbung für Amsterdam
Der Hamburger Singer-Songwriter Dirk Darmstaedter veröffentlichte vor Kurzem einen Song über Wilhelmsburg, seinen liebsten Kiez. Es ist eine Hymne auf einen Stadtteil, der sich (noch) seine Ursprünglichkeit bewahren konnte – und es ist eine Abrechnung. Entstanden nach einem Familienbesuch in Lissabon, wo „Digitale Nomaden“ inzwischen das Alltagsleben bestimmen und Billigtouristen die Hafenstadt überrennen.
Der Hamburger Singer-Songwriter Dirk Darmstaedter veröffentlichte vor Kurzem einen Song über Wilhelmsburg, seinen liebsten Kiez. Es ist eine Hymne auf einen Stadtteil, der sich (noch) seine Ursprünglichkeit bewahren konnte – und es ist eine Abrechnung. Entstanden nach einem Familienbesuch in Lissabon, wo „Digitale Nomaden“ inzwischen das Alltagsleben bestimmen und Billigtouristen die Hafenstadt überrennen.
An Dirks Song dachte ich, als ich von Demonstrationen in Portugals Metropole las. „Digitale Nomaden“, also Fachkräfte, die von überall arbeiten können und sich dort niederlassen, wo es am schönsten ist, haben die Mieten extrem steigen lassen. Befeuert wurde dies noch durch
Steuervorteile und Visa der Regierung. Knapp 20.000 „digitale Nomaden“ sind nach Schätzungen in Lissabon hängen geblieben. Hinzu kommen Zehntausende, die für einen schnellen Cortado mit RyanAir einschweben, weil sie denken, dass sich das auf Instagram gut macht.
Manche Nachbarschaften sind nun Wohnreviere der Internetvermietung Airbnb, während Einheimische raus an den Stadtrand fliehen müssen. Und teilweise in selbst gebauten Blechhütten hausen, die an Favelas in der Dritten Welt erinnern. Klar, dass die Leute auf die Straße gehen.

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Auch andere beliebte Städte am Meer wehren sich gegen Touristen in Massen. Venedig verbietet Kreuzfahrtschiffen das Anlegen. Barcelona führt strenge Regeln inklusive Einbahnstraßen für Fußgänger ein. In Palma de Mallorca bilden genervte Einheimische eine Menschenkette. Auf Teneriffa laufen die Insulaner Sturm gegen ein neues Luxus-Resort, das ein Fischerdorf bedroht.
In Amsterdam geht man nun noch einen Schritt weiter. Die Stadt hat eine Anti-Werbekampagne im Internet gestartet. Richtig gelesen: bezahlte Abschreckung, um Sauftouristen aus Großbritannien fernzuhalten. Wer Begriffe wie „Junggesellenabschied“, „billiges Hotel“ oder „Rotlicht“ googelt, dem werden drastische Videos zu den Themenfeldern Suff, Krankenhaus und Polizeizelle präsentiert.
Ich war vor Kurzem in Amsterdam, an einem verregneten Donnerstag im März. Betrunkene Gröler, die hinter einem Kameraden im Hasenkostüm herliefen. Das Gefühl, in einer riesigen, cannabisvernebelten Irrenanstalt unterwegs zu sein. Unrat in den Straßen und eine beklemmende Enge, selbst an einem Wintertag in der Nebensaison. Ich mag Amsterdam, die Stadt der Grachten und des Rijksmuseums, doch zum ersten Mal fühlte ich mich unwohl und war froh, wieder auf dem Heimweg zu sein.
Wenn die „Stay-Away“-Kampagne von Amsterdam wirkt, soll sie auf andere europäische Länder ausgeweitet werden. Ich hoffe wirklich, dass sie funktioniert.