Waldretterin aus Wilhelmsburg: „Die Leute können nicht in die Berge oder ans Meer“
Gerade führte sie eine Gruppe von Menschen aus Guatemala durch den wilden Wald, dann hockt sie bei der Mahnwache für das bedrohte Biotop von Wilhelmsburg am Camp-Lagerfeuer und am nächsten Tag sitzt sie am Schreibtisch und verfasst die Pressetexte für die Initiative Waldretter:innen. Sigrun Clausen (52) engagiert sich zeitintensiv für die Rettung der verbliebenen Grünflächen auf der Elbinsel, und das seit 20 Jahren. Vor allem eines treibt sie an.
Gerade führte sie eine Gruppe von Menschen aus Guatemala durch den wilden Wald, dann hockt sie bei der Mahnwache für das bedrohte Biotop von Wilhelmsburg am Camp-Lagerfeuer und am nächsten Tag sitzt sie am Schreibtisch und verfasst die Pressetexte für die Initiative Waldretter:innen. Sigrun Clausen (52) engagiert sich zeitintensiv für die Rettung der verbliebenen Grünflächen auf der Elbinsel, und das seit 20 Jahren.
„Zunächst wurde unser Kampf für den wilden Wald als Spleen lokaler Bürgerinitiativen abgetan“, sagt Clausen. „Aber mittlerweile stehen alle großen Umweltverbände hinter der Forderung nach dem Erhalt dieses wertvollen Pionierwaldes.“ Clausen selbst lebt seit 20 Jahren in Wilhelmsburg. Ihr Engagement begann, als die Internationale Gartenschau (IGS) dort geplant und 2013 dann eröffnet wurde. „Schon damals sollten für das Projekt viele Bäume gefällt und Ufer betoniert werden“, erinnert sich die freie Texterin. Am Ende mussten tatsächlich rund 4000 Bäume weichen.

Aktuell richtet sich ihr Engagement bei den Waldretter:innen gegen die Rodung von rund zehn Hektar Pionier- und Sukzessionswald im Norden des dicht besiedelten Reiherstiegviertels. Dort grenzt der wilde Wald an den Spreehafen und der städtische Quartiersentwickler IBA Hamburg plant den Bau von 1100 Wohnungen und Gewerbeflächen zwischen Hafenbecken im Norden und Ernst-August-Kanal im Süden. Dafür muss der größte Teil des Grüns weichen. Gerade wurde ein mehrwöchiges Protestcamp dort abgehalten.
Was Sigrun Clausen umtreibt, ist das Thema „Umwelt-Gerechtigkeit“. Das unterscheidet ihr Engagement noch einmal von den Umweltverbänden wie BUND, Nabu und Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), die sich auch alle in Stellungnahmen für den Erhalt des wilden Waldes einsetzen. Sie betonen darin die Bedeutung des Waldes zum Kühlen des Klimas und als Lebensraum für Vögel, Insekten und Fledermäuse. Clausen: „Wir sollten aber über den ökologischen Bereich hinausdenken und auch die sozialpolitische Komponente in den Blick nehmen.“
Armut und Arbeitslosigkeit in Wilhelmsburg
Tatsächlich sind noch immer viele Bewohner der Elbinsel von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen. „Viele Menschen haben hier gar nicht die Kapazitäten, sich zu wehren, wenn ein Wald abgeholzt werden soll.“ Und der Zugang zu Natur oder auch Gesundheit sei für Ärmere schwieriger als für andere. „Natur, die nichts kostet und nicht weit weg ist, ist ganz wichtig hier. Denn viele können nicht ans Meer oder in die Berge fahren.“

Clausen und ihre Mitstreiter bei den Waldretter:innen und „Wilder Wald bleibt“ ärgern sich darüber, dass oftmals „die Wohnungsnot gegen Naturbelange ausgespielt werden“. Es komme ja auch niemand auf die Idee, ein Teil vom Jenischpark für Wohnungen abzuknapsen. „Wo sollen denn die ganzen Menschen sich erholen, die hierher ziehen werden?“, fragt sie.
Das könnte Sie auch interessieren: Mega-Wärmepumpe soll Hamburg mit Elbwasser heizen
Der gesundheitliche Nutzen von Natur in der Stadt ist schon lange durch zahlreiche Studien belegt: Wer Zeit im Stadtpark oder Stadtwald verbringt, senkt sein Stresslevel – das ist gerade für armutsbetroffene Menschen wichtig, denn sie leiden oft unter chronischen Stress-Symptomen. „Aus exakt diesen Gründen werden im Rahmen des neuen Renaturierungsgesetzes der EU auch die Städte verpflichtet, den jetzigen Umfang ihrer Grünflächen zu
erhalten und ab 2030 sogar zu vergrößern. Hamburg würde mit der Abholzung des Wilden Waldes nicht nur sämtlichen naturwissenschaftlichen -, sondern auch medizinischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen Hohn sprechen“, stellt Waldretterin Sigrun Clausen klar. „Und einen solchen Wald, wie wir ihn hier haben, den kann man gar nicht ersetzen.“