Tüftelei in Hamburg: Wann geht der erste Wasserstoff-Flieger?
Haben Sie schon mal Flugscham gespürt? Glaubt man Holger Kuhn, ist es damit bald vorbei. Er forscht an emissionsfreien Antrieben für Flugzeuge und ist überzeugt: Eines Tages jetten wir mit grünem Wasserstoff über den Atlantik. Die MOPO hat ihn beim Tüfteln besucht.
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Haben Sie schon mal Flugscham gespürt? Glaubt man Holger Kuhn, ist es damit bald vorbei. Er forscht an emissionsfreien Antrieben für Flugzeuge und ist überzeugt: Eines Tages jetten wir mit grünem Wasserstoff über den Atlantik. Die MOPO hat ihn beim Tüfteln besucht.
Die Mensa des modernen Gebäudes in Finkenwerder ist zur Mittagszeit proppenvoll. Zahlreiche Wissenschaftler des Clusters Hamburg Aviation, bei dem auch Airbus und Boeing Mitglieder sind, tummeln sich hier. Sie alle tüfteln hier im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) an der Zukunft der Fliegerei.
Forschung in Hamburg: So geht es voran
„Wenn man 2010 noch von Fliegen mit Batterien oder Brennstoffzellen gesprochen hat, war man ein Spinner“, erinnert sich Holger Kuhn. „Das hat sich komplett gewandelt.“ Kuhn ist Wasserstoffexperte beim ZAL und forscht an Brennstoffzellen. Wie bei einem Puzzle probiert er Teile und Materialien aus und wie man sie in die Systeme integriert. Wir treffen ihn im Labor.
Hier hat man nur in Begleitung Zutritt. Bei Fotos wird genau hingeschaut, um keine Betriebsgeheimnisse zu verraten. An die Teststation ist eine Brennstoffzelle, ein unscheinbarer schwarzer Kasten, angeschlossen. Auf dem Schrank liegen Teile der Wasserstoff-Drohne „ZALbatros“, an der Kuhn und sein Team arbeiten. Sie wollen sie mit Wasserstoff zum Fliegen bringen, um Kenntnisse für die größere Luftfahrt zu gewinnen. Den Sprung von einer halben Stunde Flugzeit mit Batterie auf zwei Stunden mit gasförmigem Wasserstoff haben Kuhn und sein Team schon geschafft. Mit verflüssigtem Wasserstoff sollen es zehn Stunden werden.
Klimaschädliches Fliegen: „Ein Weiter-So geht nicht”
Denn ein Weiter-So in der Luftfahrt geht nicht, meint Kuhn. Dazu seien die Erkenntnisse zu erdrückend. Laut dem Umweltbundesamt ist der Luftverkehr für fünf bis acht Prozent der weltweiten Klimagasemissionen verantwortlich, neben CO2 werden auch Ruß und Stickoxide ausgestoßen. „Wir brauchen einen richtigen Sprung zu etwas Neuem“, sagt Kuhn. „Sonst macht es einfach keinen Sinn.“
Glaubt man ihm, landet man dann bei Wasserstoff. Batterieflugzeuge könnten zwar Kurzstrecken fliegen, schaffen es aber nicht über den Atlantik. Auch synthetische Kraftstoffe sieht er nicht als Lösung. Denn die stoßen immer noch CO2 aus, und die Forschung ist noch nicht so weit wie bei Wasserstoff.
Wasserstoff-Flieger: So geht’s!
Der kann aber im Flieger in einer Brennstoffzelle in elektrische Energie für Elektromotoren umgewandelt werden, die Fantriebwerke antreiben, erklärt der Physiker und Elekrochemiker. Oder er wird in einer Turbine verbrannt, wie heute Kerosin. Ausgestoßen wird dann kein CO2 mehr, sondern Wasserdampf. Und die Stickoxide? Beim Verbrennen in der Gasturbine entstehen die immer noch, „aber deren Menge kann man durch die Kontrolle der Luft- und Wasserstoffzufuhr nahezu vermeiden“, so Kuhn.
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Geforscht werden muss aber noch: An der Wirkung von Kondensstreifen aus Wasserstoff-Antrieben, wie es Airbus gerade tut. Oder daran, wie der flüssige Wasserstoff bei minus 253 Grad im Flugzeug für die Brennstoffzelle auf Raumtemperatur gebracht wird. Wie die Brennstoffzelle leicht und platzsparend gekühlt wird. Oder wie man so ein Flugzeug am besten wartet oder betankt – und was das für die Abläufe am Boden bedeutet. Und Vertrauensarbeit wird man noch leisten müssen, meint Kuhn. Damit die Menschen auch einsteigen.
Sauberes Fliegen? So werden sich Flugzeuge verändern
Hier glaubt man daran, dass sich das alles lösen lässt. Wird Airbus 2035 das erste Wasserstoff-Flugzeug starten lassen? „Ja, das schaffen sie“, meint Kuhn. 2025/26 soll das erste Triebwerk im Flug getestet werden. „Dann dauert es nochmal zehn Jahre, bis das erste Flugzeug da ist, und noch einmal 20 bis 30 Jahre, bis die Flotten erneuert sind.“
Denn alte Maschinen umrüsten, das geht nicht. Der flüssige Wasserstoff braucht einen viel schwereren und größeren Tank als Kerosin. Etwas bauchiger werden Flugzeuge wohl, mit größerem Rumpf.
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Ohnehin werde das Flugzeug „neu gedacht“. Denn für einen möglichst kleinen Tank fliegt man langsamer – so braucht man weniger Kraftstoff. „Dann braucht man vielleicht zwei, drei Stunden länger nach Amerika oder Asien“, schätzt er. Damit Passagiere das annehmen, gibt’s vielleicht extra Arbeitsplätze oder Familienecken. „Damit das Reisen keine verlorene Zeit ist.“