Gartenmüll, Kartoffelschalen und Co.: So wird unser Müll zu Energie
Gartenlaub, vergammelte Essensreste oder benutzter Kaffee: Was andere Hamburger achtlos wegwerfen, ist Anke Boisch höchst willkommen. Denn die Biologin weiß: Der schnöde Küchen- und Gartenabfall steckt voll wertvoller Energie. Wie das funktioniert: Lesen Sie mehr mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang für nur 99 Cent testen!
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„Die Reste vom Weihnachtsessen sind immer gut“, sagt Anke Boisch und lacht verschmitzt. Sie redet nicht vom Schlemmen. Denn Gänsebraten, Kartoffelknödel und Möhrenreste versorgen nicht nur unseren Körper mit Energie…
Gartenlaub, vergammelte Essensreste oder benutzter Kaffee: Was andere Hamburger achtlos wegwerfen, ist Anke Boisch höchst willkommen. Denn die Biologin weiß: Der schnöde Küchen- und Gartenabfall steckt voll wertvoller Energie.
Biogas aus der grünen Tonne: So geht das
Sie ist Chefin des Biogas- und Kompostwerks Bützberg in Tangstedt, in dem aus dem Inhalt von mehr als 120.000 Hamburger Biomülltonnen Kompost und Biogas gewonnen wird. Denn beim Kompostieren entsteht das Gas ohnehin – und dann kann man es auch nutzen.
Dafür werden Gartenabfall und Essensreste zunächst über Laufbänder mit Siebsystemen von Plastik und Metall befreit und zerkleinert. Kleine Gartenschaufeln sammeln sich hier, Plastik und Spielzeuge, die versehentlich in der Biotonne gelandet sind. Es ist laut in der Halle. Und es müffelt auch ein bisschen.
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Den Mitarbeiter eine Halle weiter stört das wohl kaum noch. Er verfrachtet den Abfall gerade in einen der vierzehn Fermenter, die aussehen wie große Garagen. Hier entsteht das Biogas. „Wir stellen einen vergleichbaren Lebensraum wie in einem Moor her, feucht und ohne Sauerstoff“, erklärt Boisch. Etwa 15 Tage laben sich hier Bakterien unter optimierten Bedingungen am Biomüll und stoßen dabei Methan aus. Dann ist das Gas-Potenzial ausgeschöpft.
Hamburger Stadtreinigung: Eins der größten Werke Norddeutschlands
Die Biomasse wandert danach zum Kompostieren in die „Rottehalle“. Das saubere, dunkelbraune Endprodukt ist warm und dampft. Boisch nimmt eine Hand auf und lässt ihn durch die Finger rieseln. Der Kompost ist guter Dünger mit Pflanzennährstoffen und für den Aufbau von Humusboden, der unter anderem wie ein Schwamm Wasser speichert, erklärt sie. Ein guter Wasserspeicher ist gerade im Klimawandel für die Pflanzen wichtig.
- Marius Roeer Noch ist es ruhig in der erste Halle des Biogas- und Kompostwerks...
- Marius Roeer Doch schon kurze Zeit später wird der Inhalt zahlreicher Grüner Tonnen über die Laufbänder hineingefahren.
- Marius Roeer Mit aufwendigen Siebsystemen wird der Biomüll als erstes zerkleinert und von Fremdkörpern befreit.
- Marius Roeer Um dann in die Fermenter gebracht zu werden, in denen das Biogas gewonnen wird. Einmal gefüllt werden sie für etwa 15 Tage Luftdicht verschlossen.
- Marius Röer Durch diese Rohre wird das gewonnene Biogas aus den Fermenten geleitetet....
- Marius Roeer Anschließend aufwendig gereinigt...
- Marius Roeer Und das reine Biomethan direkt auf dem Gelände ins Gasnetz eingespeist.
- Marius Roeer Der Biomüll aber wird aus den Fermenten geleert und in die Rottehalle gebracht...
- Marius Roeer Wo er über mehrere Wochen zu Kompost wird.
- Marius Roeer In der Rottehalle nimmt die Maschine „Wendelin” den nach einigen Wochen fast fertigen Kompost auf. Er ist warm und dampft.
- Marius Roeer Anke Boisch hält den fertigen Kompost in den Händen, der wieder an die Landwirtschaft oder Hamburger verkauft wird.
Das Biogas aus den Fermentern aber wird in drei länglichen, silbernen Kuppeln auf dem Dach aufgefangen, aufwendig von anderen Bestandteilen wie CO2 gereinigt, entschwefelt und entfeuchtet. Danach wird das reine Biomethan direkt ins Gasnetz gespeist, das auch Hamburg versorgt.
Das Werk ist schon jetzt eines der größten in Norddeutschland. Nun soll der Methangehalt im Biogas noch von 54 auf 75 Prozent gesteigert werden, in dem man ab 2024 Wasserstoff in den biologischen Prozess gibt.
Biomethan als Erdgasersatz: Das sind die Vorteile
Biomethan zählt zur Erneuerbaren Energie, schließlich kommt es aus nachwachsenden Rohstoffen. Dass es von Wind und Sonne unabhängig ist und Energie speichern kann, ist besonders praktisch – und dass es so fossiles Erdgas ersetzten kann auch. Kritik gibt es trotzdem. Denn beim Verbrennen wird immer noch CO2, freigesetzt, und wenn bei der Produktion das klimaschädliche Methan selbst oder gar Lachgas entweichen, wirkt sich auch das negativ auf die Klimabilanz aus.
„Wir unterliegen hier den strengen Regelungen zum Immissionsschutz“, sagt dazu Boisch. Zudem setze jede Zersetzung von biologischem Material CO2 frei, das über die Photosynthese wieder zu Biomasse werde. „Es führt also nicht zur Erhöhung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre, wie es bei fossilen Materialien der Fall ist.“
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Rund 1,3 Millionen Kubikmeter reines Biomethan wird hier jährlich gewonnen. Seit dem Start 2009 entspricht die Menge 114 Millionen Kilowattstunden Energie. Beim enormen Gasverbrauch Hamburgs von rund 20 Terawattstunden jährlich zwar nur ein kleiner Beitrag. Doch immerhin reicht es, um 45.000 durchschnittliche zwei-Personen-Haushalte für ein Jahr mit Strom zu versorgen oder 23 Millionen Vollbäder zu nehmen – und das alles aus dem Hamburger Müll in der grünen Tonne.