Frischzellen-Kur: Wie ein Kosmetikkonzern versucht, nachhaltig zu werden
Seit mehr als 140 Jahren wird im Herzen von Eimsbüttel gerührt und geklebt. Die einstige Apotheke Beiersdorf wurde zu einem der führenden Kosmetikkonzerne der Welt. An der Zusammensetzung des Kassenschlagers Nivea-Creme hat sich seitdem nicht viel verändert. Und doch muss sich das Unternehmen umstellen. Denn Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die früher keine Rolle gespielt haben, stehen nun ganz oben auf der Agenda. Wie schafft ein konventioneller Kosmetikhersteller das?
Seit mehr als 140 Jahren wird im Herzen von Eimsbüttel gerührt und geklebt. Die einstige Apotheke Beiersdorf wurde zu einem der führenden Kosmetikkonzerne der Welt. An der Zusammensetzung des Kassenschlagers Nivea-Creme hat sich seitdem nicht viel verändert. Und doch muss sich das Unternehmen umstellen. Denn Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die früher keine Rolle gespielt haben, stehen nun ganz oben auf der Agenda. Wie schafft ein konventioneller Kosmetikhersteller das?
Wer die Zentrale von Beiersdorf an der Unnastraße in Eimsbüttel betritt, wird von drei großen „A“ begrüßt. Ein großes Schild über dem Empfang weist die Besucher darauf hin, dass das Unternehmen vor wenigen Wochen die Bestnote des Nachhaltigkeitsbewerters Carbon Disclosure Project (CDP) erhalten hat.
Seit 2010 gibt es eine Nachhaltigkeitsabteilung, die stetig wächst
Die Nonprofit-Organisation nimmt jährlich 15.000 Unternehmen und ihren Einfluss auf Klima, Wasser und Wald unter die Lupe. Beiersdorf gehört zu den Top Twelve, die in allen drei Bereichen vorbildlich handeln.
„Care beyond skin“ heißt diese Strategie hausintern. Frei übersetzt: Wir heilen nicht nur die Haut, sondern die ganze Welt. Wie ernst es Beiersdorf damit ist, zeigt schon die Konzernstruktur: Seit 2010 die erste große Nachhaltigkeitsstrategie verkündet wurde, gibt es eine eigene Abteilung, die sich um die Umsetzung kümmert. Das Team „Corporate Sustainability“ ist inzwischen auf 25 Mitarbeiter angewachsen. Darüber hinaus gibt es aber auch in jeder einzelnen Abteilung und auch in den Auslandsproduktionsstätten zahlreiche Personen, die für Umweltschutz zu sorgen haben.
„Unser oberstes Ziel ist es, die Emissionen zu reduzieren“, erklärt Peer Petersen, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung. Dabei orientiere man sich am wissenschaftsbasierten Klimaziel von 1,5 Grad als Grenze für den globalen Temperaturanstieg. Bis 2025 will Beiersdorf seine Emissionen um 30 Prozent reduzieren, bis 2030 sollen alle Produktionsstätten klimaneutral sein.
Beiersdorf: Berliner Werk ist schon zu 100 Prozent klimaneutral
Die Schwierigkeit dabei sind die Zulieferbetriebe. Die Kontrolle bis ins letzte Glied der Lieferkette ist für einen Weltkonzern unmöglich. Aber man versucht es: „Wir sehen uns die Nachhaltigkeitsziele der jeweiligen Anbieter an, und sie fließen in die Bewertung zur Auftragsvergabe mit ein,“ sagt Petersen. Dazu verpflichte seit 1. Januar ja auch das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz.
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Im Berliner Werk ist die Klimaneutralität schon erreicht. Dort wird der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen. Auch an den anderen Standorten steigt der Anteil. Auf diese Weise hat Beiersdorf seinen CO2-Ausstoß seit 2018 um 17 Prozent reduzieren können. Der Weg ist noch weit.
Das zweite wichtige Thema ist die Kreislaufwirtschaft. Sie betrifft zum einen die Plastikverpackungen, die irgendwann einmal komplett aus Recycling-Material bestehen sollen. Bei den Duschgels ist man laut Petersen schon nah dran: Sie seien zu 96 Prozent aus sortenreinem Altplastik gefertigt, das Beiersdorf als Pellets aus der Müllverarbeitung erwirbt.
Nivea-Creme: Verbraucher wollen keine Veränderungen
Gleichzeitig versuche man auch die Konsumenten zum Nachfüllen zu bewegen. Dazu gibt es ein Pilotprojekt mit der Drogeriekette DM, die „Refill“-Stationen aufstellt. „Das Pilotprojekt wurde von den Kunden gut angenommen“, sagt Petersen. Zudem gibt es jetzt einsetzbare Nachfüll-Dosen für Creme-Tiegel.

Schwieriger ist es für Beiersdorf, auch die Inhaltsstoffe zu verändern. Also die Cremes, Shampoos und Dusch-Gele biologisch abbaubar zu machen. „Wir wollen keine separate nachhaltige Linie entwickeln, sondern alle unsere Produkte auf nachhaltigere Formeln und Verpackungen bringen“, so Petersen. Allerdings merke der Verbraucher sofort, wenn sich seine Creme anders anfühlt als früher. Dann hagelt es Briefe und Anrufe. Allein für die Nivea-Soft-Creme wurden neue 1800 Prototypen entwickelt, die von 10.000 Verbrauchern getestet wurden.
Aber es muss sein: Vor ein paar Jahren war der Chemie-Konzern massiv in die Kritik geraten, weil die Produkte Mikroplastik enthielten, das übers Abwasser in die Natur und damit in die Nahrungsmittelkette gelangt war. „Seit Ende 2021 sind alle unsere Nivea-Produkte frei von Mikroplastik“, betont Urte Koop, Managerin in der Produktentwicklung. Experten kritisieren Beiersdorf jedoch dafür, dass der Aufdruck „ohne Mikroplastik“ irreführend sei, weil zwar keine feste Plastikteile mehr enthalten sind, Nanopartikel und flüssiger Kunststoff aber weiterhin in den Produkten steckten.
Managerin: „So eine Transformation erfordert viel Mut“
Auch der chemische UV-Filter Octocrylen in einigen Nivea-Sonnenschutzmitteln steht in der Kritik, weil er Schäden in der Korallen- und Fischwelt bewirkt. Die Zeitschrift „Ökotest“ stufte kürzlich die klassische Nivea-Creme wegen ihrer erdölbasierten Inhaltsstoffe herab. Zwar geht laut Bundesinstitut für Risikobewertung kein Gesundheitsrisiko von Paraffinen aus. Allerdings gibt es Hinweise, sie könnten Krebs erregen oder das Erbgut schädigen.
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Peer Petersen betont, dass man sich in einem dynamischen Prozess befinde, der immer wieder zu Anpassungen führe. Auch bei den Rohstoffen wie zum Beispiel Palmöl und Shea werde genau hingeguckt, ob sie aus nachhaltigen Quellen stammten. Dabei arbeitet Beiersdorf mit dem WWF zusammen.
„So eine Transformation braucht viel Mut, weil wir die Verbraucher mitnehmen wollen“, erklärt Urte Koop. Der Vorteil sei aber auch, dass die Produkte dabei nicht nur nachhaltiger, sondern auch hochwertiger werden. Einen Schritt zurück gibt es ohnehin nicht – das ist für Beiersdorf so klar wie Haarwasser.