Die Guerilla-Gärtnerin: Wie eine Eimsbüttlerin mit Blumen fürs Klima kämpft
Irgendwann konnte Lissi Westphal es einfach nicht mehr mitansehen: Diese schmuddeligen Verkehrsinseln zwischen den Parkbuchten vor ihrer Haustür. Bei Regen verwandelten die Flächen sich in Schlammwüsten. Alternativ wurden sie als Hundeklo missbraucht. Die Rentnerin fing an, die tristen Flecken mit Blumen aufzuhübschen – und wurde selbst davon überrascht, was sie damit erreichte.
Irgendwann konnte Lissi Westphal es einfach nicht mehr mitansehen: Diese schmuddeligen Verkehrsinseln zwischen den Parkbuchten vor ihrer Haustür. Bei Regen verwandelten die Flächen sich in Schlammwüsten. Alternativ wurden sie als Hundeklo missbraucht. Die Rentnerin fing an, die tristen Flecken mit Blumen aufzuhübschen – und wurde selbst davon überrascht, was sie damit erreichte.
Der Herbst ist da und lässt das Laub überall in der Stadt gelb werden. Die Blumen in den Vorgärten sind weitgehend verblüht. Nur in der Bogenstraße (Eimsbüttel) ist es noch fast so bunt wie in einem botanischen Garten.
Rentnerin wollte Straße aufhübschen – und schuf ein paradiesisches Biotop
Eine kleine Biene landet auf einer Rose vor der Hausnummer 17. Gleich nebenan in der Blauen Salvie tummeln sich die Hummeln. Und aus einer Wicke krabbelt ein Ohrenkneifer. Lissis Blumenoase, in der inzwischen auch hübsche Bänke zum Verweilen stehen, ist nicht nur eine Augenweide für die Nachbarschaft, sie ist auch ein Insekten-Biotop.
„Das freut mich ganz besonders“, sagt Lissi Westphal. „Die Insekten sind wichtig für die Nahrungskette!“ Damit die Bienen ihre Funktion als Bestäuber in der Bogenstraße erfüllen können, hat Lissi Westphal Johannisbeeren, Himbeeren und Brombeeren gepflanzt. Sehr zur Freude der Nachbarskinder, die im Spätsommer zum Pflücken kommen.
Lissi Westphal sorgt mit ihren Beeten für Artenvielfalt in Hamburg
Beim Unkrautjäten ist Westphal sparsam. „Brennnesseln sind Raupenfutter!“, lacht sie und zeigt auf ein Exemplar, das sich mitten im Beet einen Platz erobert hat. Die Vögel danken es der Hobby-Gärtnerin. Rotkehlchen und Zaunkönige haben die von Westphal aufgestellten Nistkästen und Nester bezogen – auch weil sie es nicht weit haben, um sich selbst und ihren Nachwuchs mit Würmern und Insekten zu versorgen.

Ohne es geplant zu haben, ist Lissi Westphal damit acht Jahre nach dem Einpflanzen der ersten Rose zu einer Vorkämpferin in Sachen Artenvielfalt für Hamburg geworden. Die Anwohner danken es ihr. Aber es gibt auch kritische Stimmen. Hundehalter schimpfen auf Portalen wie nebenan.de: „Wenn mein Hund mal muss, dann muss er.“ Andere fürchten, die Vogelhäuser könnten Mäuse und Ratten anlocken. Sie werfen Westphal gar die „Aneignung öffentlichen Eigentums“ vor.
Ganz falsch liegen sie dabei nicht. Westphal gibt zu, dass sie nie eine Genehmigung für ihre Pflanzungen beantragt hat. Das Bezirksamt zeigte sich ihr gegenüber auf Nachfrage jedoch wohlwollend. Und inzwischen muss die Guerilla-Gärtnerin ihre Blumen noch nicht einmal mehr komplett aus eigener Tasche bezahlen wie in den Anfangsjahren: Sie bekommt Zuschüsse von der Stadt.
Eimsbüttel: Gartenbänke und Tische zwischen den Beeten stärken das soziale Miteinander in der Nachbarschaft
Warum tut sie sich das alles an? Die Beschimpfungen, die Kosten, die viele Arbeit besonders im Sommer, wenn es trocken ist und die insgesamt sieben Beete entlang der Bogenstraße ständig gegossen werden müssen. „Ich habe zwar mein Leben lang in den Medien gearbeitet, dabei aber nie meine Kindheit auf dem Bauernhof vergessen“, sagt die 71-Jährige.
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Ihre Eltern seien Landwirte gewesen. In Ostholstein hatten sie einen Hof mit Kühen, Schweinen und einem Gemüsegarten. „Ich hab den Kontakt zur Natur nie verloren.“ Nach 45 Jahren in der Bogenstraße sei ihr neben den Pflanzen auch das soziale Miteinander in der Nachbarschaft wichtig. Deshalb die Gartenstühle und Bänke zwischen den Blumen, wo man sich immer wieder zum Klönen trifft.
„Da kommt der alte Dorfmensch in mir wieder zum Vorschein“, lacht Lissi Westphal. Und eine Nachbarin, die gerade in Fahrrad vorbei schiebt, ruft fröhlich: „Lissi ist die Beste!“