Kurioser Prozess in Hamburg: Die falsche Ärztin mit der Lippen-Spritze
Krimineller Schönheitswahn: In privaten Behandlungsräumen zückte sie Spritzen und ließ sich die Bezahlung für die Eingriffe bar auf die Hand geben. Nachdem sie ohne Qualifikation mehrere kosmetische Eingriffe an einer Kundin vornahm, wurde eine 42-Jährige nun vor dem Amtsgericht St. Georg verurteilt. Es ist nicht ihre erste Strafe.
- Deutsch (Deutschland)
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Krimineller Schönheitswahn: In privaten Behandlungsräumen zückte sie Spritzen und ließ sich die Bezahlung für die Eingriffe bar auf die Hand geben. Nachdem sie ohne Qualifikation mehrere kosmetische Eingriffe an einer Kundin vornahm, wurde eine 42-Jährige nun vor dem Amtsgericht St. Georg verurteilt. Es ist nicht ihre erste Strafe.
Unsicher und ohne Rechtsbeistand sitzt sie im Gerichtssaal. Die Arme hat sie schützend vor der Brust verschränkt, die dunkel geschminkten Augen sind starr auf den Tisch vor ihr gerichtet. Der Richter verliest die Anklage: Die Angeklagte D. (42) soll gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen haben, als sie ohne ärztliche Zulassung kosmetische Eingriffe an der Kundin K. (37) vornahm. Die Eingriffe geschahen zudem ohne vorherige Risikoaufklärung.
OP-Schwester spritzt Botox ohne Zulassung
K. sagt als Zeugin vor Gericht aus: „Eine Freundin hat mich ihr vorgestellt“, erzählt sie von ihrem ersten Treffen mit D. im Jahr 2015. Danach habe sich die 37-Jährige in unregelmäßigen Abständen Botox von D. in die Stirn spritzen lassen – im Sommer 2019 „kamen auch die Lippen dazu.“ Der Richter verliest einen Chatverlauf der beiden Frauen: Die Zeugin wirkt in den Nachrichten vertraut mit D., spricht sie mit „Süße“ oder „Maus“ an.
Nach eigenen Angaben wusste die 37-Jährige, dass D. nicht die nötigen Qualifikationen hat: „Es war mir aber egal.“ Schließlich sei jeder Eingriff gut verlaufen und deutlich günstiger, als bei einem Arzt. Ob K. gesundheitlichen Schaden von den Eingriffen nahm, fragt der Richter. „Absolut gar nicht – es war immer alles perfekt,“ antwortet die Zeugin kurioserweise.
Angeklagte ist einschlägig vorbestraft
Wie es trotz der ausschließlich positiven Behandlungs-Erfahrungen von K. zu dem Strafverfahren gegen D. kam, bleibt unklar. Sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft wollten sich dazu nicht äußern.
D. ist ausgebildete OP-Krankenschwester. Die Schönheitseingriffe bot sie nebenberuflich bis 2020 an: 100 bis 120 Euro pro Sitzung in privaten Behandlungsräumen, die Bezahlung gab es immer bar auf die Hand, wie K. berichtet. D. ist einschlägig vorbestraft, machte jedoch mit ihren Behandlungen weiter – eine Entscheidung, die im Urteil negativ vermerkt wird.
Verurteilt zu vergleichsweise hoher Geldstrafe
„Haben Sie je darüber nachgedacht, die Ausbildung zur Heilpraktikerin zu machen?“, fragt die Staatsanwältin. Die Angeklagte verneint – das sei aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Sie habe mehrere Schicksalsschläge erlitten und sei alkoholkrank. Derzeit sei sie arbeitsunfähig krankgeschrieben, beziehe Bürgergeld und plane einen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, um zurück ins Leben zu finden.
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Durch die Vorstrafe fällt das Urteil vergleichsweise hoch aus: eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen je 10 Euro. Der Richter wertet positiv, dass die Frau dank ihrer Ausbildung nicht gänzlich fachfremd sei. Auch sei Zeugin K. bei den Eingriffen nicht zu Schaden gekommen. Die 42-Jährige nimmt das Urteil an.
Deutschlandweiter Trend zu kosmetischen Eingriffen
Gerade während der Pandemie-Jahre vermerkten Hamburger Schönheits-Chirurgen eine steigende Nachfrage nach kosmetischen Eingriffen. Auch eine Statistik der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen bestätigt einen deutschlandweiten Trend: Verglichen zum Jahr 2020, stieg die Zahl der kosmetischen Behandlungen im Jahr 2021 um 12,9 Prozent, auf 68.206.
Die Kosten eines solchen Eingriffs sind jedoch hoch – viele halten nach günstigen Alternativen Ausschau und landen dann bei Pfuschern. Erst im Januar vergangenen Jahres klagte das Opfer einer misslungenen Schönheits-OP vor dem Amtsgericht Wandsbek gegen eine Heilpraktikerin.