In Hamburg zu sehen: Ausstellung über die „Hölle von Riga“
Wer diese Ausstellung besucht, muss gute Nerven haben. Denn sie zeigt die unvorstellbaren Verbrechen, die die Nationalsozialisten ab 1941 in der lettischen Hauptstadt Riga verübten. Ein Thema, das bisher wenig Beachtung fand. Das soll nun anders werden. „Der Tod ist ständig unter uns“ ist Titel der Schau, die am Freitag (13. Januar) im Hamburger Rathaus eröffnet wurde.
- Deutsch (Deutschland)
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Wer diese Ausstellung besucht, muss gute Nerven haben. Denn sie zeigt die unvorstellbaren Verbrechen, die die Nationalsozialisten ab 1941 in der lettischen Hauptstadt Riga verübten. Ein Thema, das bisher wenig Beachtung fand. Das soll nun anders werden. „Der Tod ist ständig unter uns“ ist Titel der Schau, die noch bis zum 8. Februar im Hamburger Rathaus zu sehen ist.
Winter 1941: Rund 800 Hamburger Juden erhalten ihren Evakuierungsbefehl. Einige ziehen es vor, sich das Leben zu nehmen, so sind es noch 753 Menschen – Männer, Frauen und Kinder –, die am 6. Dezember 1941 am Hannoverschen Bahnhof in Eisenbahnwaggons verladen werden. Es ist die zweite Deportation von Hamburger Juden in den Osten.
Unter den Ermordeten: Hamburgs Oberrabbiner Joseph Carlebach
Zu den Deportierten zählen der berühmte Hamburger Oberrabbiner Joseph Carlebach, seine Frau und vier ihrer Kinder. Ziel der Deportation: das KZ Jungfernhof bei Riga. Das Lager ist die Hölle. Es handelt sich um ein ehemaliges Staatsgut, das für die Aufnahme von mehreren tausend Menschen völlig ungeeignet ist. „Es gab keine Türen, keinen Ofen, die Fenster waren offen, das Dach nicht in Ordnung. Es waren 45 Grad Kälte und der Schnee fegte durch die Scheune“, erinnert sich ein Überlebender. Viele sterben an Hunger und Entkräftung, viele – darunter auch Oberrabbiner Carlebach, seine Frau und drei seiner Töchter – werden später in einer brutalen Mordaktion von der SS erschossen.
Vor dem Zweiten Weltkrieg ist Riga ein wichtiges Zentrum jüdischen Lebens gewesen. Im Hitler-Stalin-Pakt von 1939, in dem sich die beiden Diktatoren Osteuropa untereinander aufteilten, ist vereinbart worden, dass Lettland unter sowjetischen Einfluss kommt. Die Rote Armee beginnt denn auch im Sommer 1940 damit, das Land zu besetzen.
Zigtausende Letten werden ermordet, um Platz für Juden aus Deutschland zu schaffen
Doch schon ein Jahr später, im Juli 1941, wenige Tage nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, nimmt die Wehrmacht Riga ein. Nach der sowjetischen Schreckensherrschaft werden die deutschen Soldaten von Teilen der Bevölkerung als Befreier begrüßt. Sofort beginnen lettische Nationalisten damit, Pogrome gegen Juden zu verüben, denen fälschlicherweise unterstellt wird, mit der Roten Armee sympathisiert zu haben.
Die deutschen Besatzer zäunen einen Teil der Stadt ein und schaffen ein Ghetto, in dem ab Oktober 1941 in heruntergekommenen Häusern auf engstem Raum 30.000 lettische Juden hausen müssen. Aber nicht lange. Um Platz zu schaffen für Juden aus Deutschland, wird das Ghetto im November 1941 „freigemacht“. Das bedeutet: Im nahegelenen Wald von Rumbula ermorden die SS und ihre einheimischen Helfer im November 1941 innerhalb von drei Tagen Zigtausende Ghetto-Bewohner.
Von 25.000 Deportierten überlebten nur 1000 den Holocaust
Damit kann im Reich die Deportationsmaschinerie voll anlaufen. Juden aus Deutschland, Österreich und Tschechien werden von den Nazis nach Riga deportiert, wo in den ihnen zugewiesenen Wohnungen teils noch das Essen derjenigen auf dem Tisch steht, die soeben liquidiert worden sind. Manche Öfen sind noch warm. Die neuen Ghetto-Bewohner erahnen also, was ihnen bevorsteht: Von 25.000 jüdischen Bürgern aus Deutschland, Österreich und Tschechien, die die Nazis nach Riga schaffen, überleben rund 1000 den Holocaust.
Die Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ ist bis zum 8. Februar im Hamburger Rathaus (Mo-Fr, 7-19 Uhr, Sa/So 10-17 Uhr) zu sehen. Der Titel geht übrigens zurück auf unveröffentlichte Aufzeichnungen der Zeitzeugin Edith Brandon, die selbst im Ghetto Riga war. Nach Kriegsende schrieb sie in ihren Erinnerungen: „Es ist ein so wahnsinniges Leben, dieses Ghettoleben. Der Tod ist ständig unter uns.“