Beliebt seit Generationen: Hamburger Modelleisenbahn droht das Aus
Hier werden Erwachsene wieder zu Kindern: Uralte Dampflokomotiven im Spielzeugformat, ein Schienenzeppelin bis hin zu modernen ICE – im zweiten Stock des Museums für Hamburgische Geschichte kreisen seit mehr als 70 Jahren die Züge und erzählen dabei gleichzeitig deutsche Eisenbahn-Geschichte. Ganze Generationen sind mit den in liebevoller Handarbeit hergestellten Zügen groß geworden. Damit soll nun Schluss sein. Der Modelleisenbahn droht das Aus!
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Hier werden Erwachsene wieder zu Kindern: Uralte Dampflokomotiven im Spielzeugformat, ein Schienenzeppelin bis hin zum modernen ICE – im zweiten Stock des Museums für Hamburgische Geschichte kreisen seit mehr als 70 Jahren die Züge und erzählen dabei gleichzeitig deutsche Eisenbahn-Geschichte. Ganze Generationen sind mit den in liebevoller Handarbeit hergestellten Zügen groß geworden. Damit soll nun Schluss sein. Der Modelleisenbahn droht das Aus!
Noch knapp vier Wochen, dann hält der Güterzug aus Bremen voraussichtlich zum letzten Mal am maßstabgetreu nachgebauten Bahnhof Hamburg-Harburg. Die kleine Haltestation mit den wartenden Mini-Passagieren, den Blumenrabatten und der alten Bahnhofsuhr ist das Herzstück der 1200-Meter-Gleisanlage. Ende Januar gehen hier die Lichter aus.
Statt Modelleisenbahn: In die Räume wird das Mobiliar einer alten Villa eingebaut
Grund: Das Museum hat andere Pläne für den Raum im zweiten Stock. Hier soll die Inneneinrichtung der 1909 im Stadtteil Hamm abgerissenen Villa Rücker eingebaut werden, um so ein Zeugnis bürgerlich-hanseatischer Wohnkultur abzuliefern. Alte Möbel, Spiegel und Tapeten statt Eisenbahn-Spaß für jung und alt – kann das funktionieren?
Vor allem sie glauben nicht daran: Die 35 Mitglieder des Vereins Modelleisenbahn Hamburg e.V., welche die Gleisanlage mit ihren 700 Waggons und Lokomotiven am Laufen halten. „Unsere Vorführungen sind es doch, weswegen die Menschen hier ins Museum kommen“, sagt der Vereinsvorsitzende Ingo Martiny. „Als wir die Eisenbahn letzten Winter für Reparaturarbeiten vorübergehend schließen mussten, gingen die Besucherzahlen für das Museum in den Keller.“
Tatsächlich kommen Eisenbahn-Fans aus aller Welt extra nach Hamburg, um die Bahn zu sehen, die anders als die allermeisten Modelleisenbahnen nicht im Maßstab 1:87 gebaut ist, sondern in der sogenannten Spur 1 (Maßstab 1:32) – die Königsklasse! Mit dem Miniaturwunderland ist die Modelleisenbahn am Holstenwall 24 deshalb auch nicht zur vergleichen. Die Macher sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern als gegenseitige Ergänzung.
Paradies für Tüftler: Die Eisenbahn-Werkstatt im dritten Stock
Für Martiny und seine Kollegen ist das drohende Aus eine Katastrophe. Jeden Dienstag treffen sich die Mitglieder – alles Männer, die meisten Rentner – in der Werkstatt ein Stockwerk darüber, um die Fahrzeuge zu reparieren oder um neue zu bauen. Zwei Drittel der Waggons und Loks sind von den älteren Herren selbst gebaut. „Wir hatten alle als Kinder eine Eisenbahn zu Hause, haben später mit unseren Kindern damit gespielt und nun eine neue Aufgabe für die Rente“, sagt Martiny (66), ein ehemaliger Ingenieur für Mikroelektronik.
Doch es ist weniger der Verlust ihres sozialen Treffpunkts, um den die Vereinsmitglieder fürchten. Sie machen sich vor allem wegen des historischen Werts der Anlage Sorgen. Die nahm ihre Anfänge nämlich bereits 1926, als mehrere Jugendliche beschlossen, ihre Eisenbahnen zusammenzulegen, um ganze Landschaften zu bauen.
Bald waren die elterlichen Wohnzimmer zu klein. Stattdessen durften die Jungs während der Winterferien Schul-Turnhallen nutzen. 1936 wurde die erste stationäre Anlage in der Bergstraße eröffnet. 1949 zog sie ins Museum für Hamburgische Geschichte. Bis heute sind die Waggons der ersten Generation auf den Gleisen unterwegs.
Museum bietet neue Räume an – doch die sind zu klein
Zwar hat das Museum dem Verein andere Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Doch die Dachbodenfläche ist wegen Balken und Schrägen schlecht geeignet. Mit 375 Quadratmetern ist sie auch deutlich kleiner als die jetzige Fläche, die 530 Quadratmeter hat.
Heißt: Die Bahn müsste komplett neu gedacht werden. Ein Problem sind die Kosten: „Professionelle Anlagenbauer nehmen 4000 bis 6000 Euro – pro Quadratmeter!“, sagt Martiny. „Wovon sollen wir das bezahlen?“ Für ihn und seine Tüftler-Gemeinde ist klar: „Die Anlage wird es in der bisherigen Form nicht mehr geben.“
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Das Museum verteidigt seine Entscheidung. Der Einbau der Villa Rücker sei ein „Jahrhundertprojekt“, so Direktorin Bettina Probst. Dennoch habe man Interesse, die Modelleisenbahn im Museum zu erhalten. Aber: „Eigene Mittel zur Finanzierung hat das Museum schlicht nicht. Wir können uns aber gut vorstellen, den Verein beim Durchführen einer Spendenkampagne oder ähnlichem zu unterstützen“, so Probst.