Neue Flaniermeile in Hamburg: Erster Bericht mit vernichtendem Ergebnis
Weg mit den Parkplätzen, mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger – das war die Idee hinter dem Experiment „Flaniermeile Volksdorf”. Schon zu Beginn des Projekts gab es harsche Kritik, vor allem Gewerbetreibende sorgten sich um ihre Umsätze. Ein aktueller Bericht des Bezirks zeigt jetzt erste Ergebnisse aus Verkehrszählungen und Befragungen – mit vernichtendem Ergebnis. Anlieger sprechen von „absolutem Chaos“ und „einbrechenden Umsätzen“, Anwohner allerdings haben eine differenziertere Meinung. Und eine Gruppe profitierte offenbar deutlich.
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Weg mit den Parkplätzen, mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger – das war die Idee hinter dem Experiment „Flaniermeile Volksdorf”. Schon zu Beginn des Projekts gab es harsche Kritik, vor allem Gewerbetreibende sorgten sich um ihre Umsätze. Ein aktueller Bericht des Bezirks zeigt jetzt erste Ergebnisse aus Verkehrszählungen und Befragungen – mit vernichtendem Ergebnis. Anlieger sprechen von „absolutem Chaos“ und „einbrechenden Umsätzen“, Anwohner allerdings haben eine differenziertere Meinung. Und eine Gruppe profitierte offenbar deutlich.
Von Mitte Mai bis Mitte Juli wurden für die „Flaniermeile Volksdorf” alle öffentlichen Parkplätze in der Claus-Ferck-Straße und in der Straße Im Alten Dorfe gestrichen. Stattdessen setzte der Bezirk dort auf Blumenbeete.
Flaniermeile Volksdorf: Harte Kritik von Gewerbetreibenden
Während des Experiments wurden vom Bezirk unter anderem Verkehrszählungen durchgeführt. Zudem gab es Befragungen von Anwohnenden, Gewerbetreibenden sowie Passant:innen. Auch die MOPO hatte die Volksdorfer:innen kurz nach dem Ende des Experiments im Juli um ihre Meinung gebeten.
„Es war ein einziges Chaos!“, schimpfte damals Nicole-Caroline Treppenhauer, Inhaberin der Apotheke „Zur Alten Schmiede“. Der Lieferant für die Medikamente habe nicht vor dem Geschäft parken können. Das bestätigte auch Patrick Meier, Filialleiter des Schreibwarengeschäfts „Lerche“ ein paar Schritte weiter. „Unsere Umsätze sind sofort nach Beginn des Experiments eingebrochen“, erzählte er der MOPO.
Flaniermeile: Volksdorfer sind gespalten
Der Unmut über das Verkehrsexperiment spiegelt sich jetzt ebenfalls in den Auswertungen des Bezirks wider: Eine dauerhafte Umgestaltung zur Flaniermeile lehnten rund drei Viertel der befragten Gewerbetreibenden ab. Etwa ein Drittel war der Meinung, dass ihr Umsatz deutlich gesunken sei.
Bei den Anwohnenden und Passant:innen sprach sich die Hälfte gegen eine dauerhafte Umgestaltung aus. Aufenthaltsqualität und Verkehrssituation erhielten von ihnen etwas bessere Noten als von den Geschäftsleuten.
Die Verkehrszählung ergab, dass im Zeitraum des Experiments weniger Autos unterwegs waren. An normalen Werktagen waren es rund 35 Prozent weniger, an Samstagen sogar rund 50 Prozent. Eine Gruppe profitierte dagegen deutlich: Der Radverkehr hat an Spitzentagen um bis zu 120 Prozent zugenommen.
„Die Flaniermeile wird eher als negativ empfunden”
Eine Mehrheit der befragten Anwohnenden gab ebenfalls an, eine Reduzierung des Autoverkehrs wahrgenommen zu haben. Rund die Hälfte der Gewerbetreibenden nahm hingegen keine Veränderung wahr. Zusätzlich wurden Gespräche mit einigen Gewerbetreibenden und Anwohnenden geführt.
Hieraus leitet der Bericht ab: „Die Flaniermeile wird eher als negativ empfunden, aber es herrscht keine grundsätzliche Ablehnung gegenüber der Idee.” Der Bezirk betont allerdings, dass diese Auswertung nur vorläufig sei. Im Laufe des Dezember soll der finale Bericht fertiggestellt und veröffentlicht werden.
Kritik aus der Opposition
Das Urteil der Opposition steht bereits fest: „Das Projekt ist auf ganzer Länge gescheitert“, beurteilt Finn Ole Ritter von der FDP-Fraktion Wandsbek das Ergebnis der Präsentation. „Schon vor dem Start war absehbar, dass es nicht gelingen kann, gegen die Bevölkerung etwas durchzukämpfen, zumal der Widerstand schon sehr früh einsetzte und deutlich machte, dass Volksdorf kein Flaniermeile-Projekt wünscht und braucht.”
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Zudem kritisiert die FDP die Methoden der Erhebung: Verglichen wurde das Verkehrsaufkommen von zwei Tagen in den Sommermonaten Juni und Juli 2022 mit dem Verkehrsaufkommen im November 2020. Es sei durchaus irritierend, so Ritter weiter, dass am Ende des „verkehrspolitischen Blindflugs“ im Hochsommer für die Auswertung ein Wintermonat als Vergleichsgrundlage herangezogen wurde.