Kofferchaos am Flughafen: „Wir laufen ohne warme Sachen herum“
Eigentlich ist die Urlaubszeit längst vorbei, der Ansturm auf die Flughäfen abgeklungen. Doch am Hamburger Flughafen regiert noch immer das Chaos: Hunderte Koffer stapeln sich im Terminal Tango, Reisende suchen verzweifelt ihr Hab und Gut, die Nerven liegen blank. Ein Anblick, der düstere Erinnerungen an den Sommer weckt. Die MOPO hat Fluggäste auf der nicht endenden Suche nach ihren Habseligkeiten getroffen.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Eigentlich ist die Urlaubszeit längst vorbei, der Ansturm auf die Flughäfen abgeklungen. Doch am Hamburger Flughafen regiert noch immer das Chaos: Hunderte Koffer stapeln sich im Terminal Tango, Reisende suchen verzweifelt ihr Hab und Gut, die Nerven liegen blank. Ein Anblick, der düstere Erinnerungen an den Sommer weckt. Die MOPO hat Fluggäste auf der nicht endenden Suche nach ihren Habseligkeiten getroffen.
Ein herrenloser Koffer neben dem nächsten, dazwischen sind Taschen und Kinderbuggys gestopft. Mittendrin sucht Olaf Schmidt seinen Koffer. Am 1. September war der 52-Jährige mit seiner Frau und Tochter nach Edinburgh geflogen. Schon auf dem Hinflug mit Ryanair ging sein Koffer verloren.
Das ist nun drei Monate her, seitdem keine Spur. Empört erzählt er: „Ryanair hat sich seit Wochen nicht gemeldet.“ Auf gut Glück ist der 52-Jährige deswegen aus Reppenstedt (bei Lüneburg) zum Hamburger Flughafen gefahren.
Am Terminal Tango ist Olaf Schmidt auf der Suche nach seinem Hab und Gut nicht allein. Zufällig trifft er seinen Arbeitskollegen Guido Preuß, der schnellen Schrittes durch die Schiebetür marschiert. Die Wut ist ihm anzusehen: „Ich bin stinksauer“, sagt Preuß.
Vor einer Woche war er mit seiner philippinischen Frau und dem gemeinsamen Sohn aus Manila gekommen. „Seitdem laufen wir hier ohne warme Sachen herum, die sind in den Koffern“, empört sich der 55-jährige Gleisbauer. Er vermisst gleich zwei Koffer und die Zeit drängt: Schon in drei Wochen fliegt Preuß wieder zurück auf die Philippinen.
„Lufthansa kümmert sich nicht“
Doch Guido Preuß fehlt die Zuversicht, dass er seine Koffer noch rechtzeitig zurückbekommt: „Die Lufthansa kümmert sich einfach nicht.“ Das liegt vielleicht auch daran, dass die Lufthansa bei „Gepäckunregelmäßigkeiten“ – wie die Airline das Koffer-Chaos nennt – gar kein Problem mehr sieht.
Das könnte Sie auch interessieren: 120 Reporter am Flughafen! Als HSV-Japaner Takahara Hamburg eroberte
Auf Anfrage der MOPO heißt es von dort: „Aktuell können solche Rückstaus glücklicherweise vermieden werden.“ Fluggäste würden ihre verspäteten Koffer „zumeist innerhalb eines Tages oder (in seltenen Fällen) innerhalb weniger Tage“ bekommen. Anja Stenger, Pressesprecherin der Lufthansa behauptet, der Bearbeitungsrückstau von mehreren Hundert Koffern im Sommer hätte abgebaut werden können.
Immerhin: Elena Neumann (25) aus Bremen hat an diesem Tag genauso ihren Koffer nach mehr als einem Monat wiedergefunden. Genau wie Carmen (61) aus Mexiko, die vor vier Wochen in Hamburg angekommen war, um ihre Tochter und den Schwiegersohn zu besuchen – schon mit allen Weihnachtsgeschenken im Gepäck.
Koffer-Chaos liegt an fehlendem Personal
Diese Erfolgsgeschichten sind eher selten, denn im Terminal Tango regiert weiterhin Chaos. Ein Grund dafür: Weil zu Beginn der Corona-Pandemie Tausende Mitarbeiter von Fluggesellschaften, wie der Lufthansa, entlassen wurden, fehlt es an Personal.
Anja Stenger von der Lufthansa erklärt: „In den letzten Monaten stand das personalintensive System der Gepäckabfertigung aufgrund des Personalmangels unter erheblichem Druck.“ Dadurch „kam es häufig vor, dass Gepäck nicht rechtzeitig verladen werden konnte und deshalb verspätet am Zielflughafen eintraf.“
Nach mehr als drei Monaten kann von Verspätung aber nicht mehr die Rede sein, findet Olaf Schmidt. Er streift noch ein letztes Mal durch die Gepäckreihen – keine Spur von seinem Koffer. Eigentlich hat der 52-Jährige jetzt Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 1675 Euro, wie Felix Höfermann des Fluggastrechte-Portals Flightright im Gespräch mit der MOPO erzählt. Ob das reibungslos klappt, sei aber fraglich: „Erfahrungsgemäß zahlen die Airlines Entschädigungen erst nach gerichtlicher Durchsetzung.“
Frustriert winkt Olaf Schmidt ab: „Ich denke nicht, dass von Ryanair noch etwas kommt.“ Seine beiden geliebten Angelruten, die er in dem verschollenen Koffer mit nach Edinburgh nehmen wollte, hat er schon abgeschrieben. Die wünscht er sich jetzt zu Weihnachten.