„Happy End”: Hamburgs sonderbare Todes-Messe
Ein Lastenrad für Särge oder das Urnen-Modell „Bis zum bitteren Ende”: Auf der Hamburger Bestattungsmesse „Happy End” drehte sich am Wochenende in Ohlsdorf alles um den Tod. Die MOPO hat sich vor Ort ungewöhnliche Bestattungstrends erklären lassen, einen echten Sargträger getroffen und ein paar ganz spezielle Schmuckstücke entdeckt.
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Ein Lastenrad für Särge oder das Urnen-Modell „Bis zum bitteren Ende”: Auf der Hamburger Bestattungsmesse „Happy End” drehte sich am Wochenende in Ohlsdorf alles um den Tod. Die MOPO hat sich vor Ort ungewöhnliche Bestattungstrends erklären lassen, einen echten Sargträger getroffen und ein paar ganz spezielle Schmuckstücke entdeckt.
Im Forum Ohlsdorf, direkt neben Hamburgs größtem Friedhof, schieben sich an diesem Sonntag etliche Messebesucher durch die Räume. Hamburger jeden Alters und sogar Familien mit Kindern sind gekommen, um sich über die letzten Stunden des Lebens, den Tod und alles, was danach folgt, zu informieren.
An einem Kunstobjekt bleibt der Blick sofort hängen: Bühnenbauer und Künstler Michael Olsen (63) aus Oldenburg präsentiert auf der Messe sein Bestattungsfahrrad.
Bestattungsmesse: Der Sarg kommt auf dem Fahrrad
Das schwarze Lastenrad transportiert auf einer Plattform vor dem Lenker einen hölzernen Sarg. „2006 hatte ich die Idee dazu, als ich mit meiner Mutter über ihren Tod sprach”, sagte Olsen. „Sie fand die Idee toll, mit dem Rad zum Friedhof gebracht zu werden.”
Olsen möchte mit seinem Projekt den Tod sichtbarer machen, deshalb wird der Sarg unverhüllt auf der Plattform festgeschnallt. „Es geht darum, in der Konfrontation mit dem Tod das Leben wieder mehr wertzuschätzen“, sagt er. Derzeit tüftle eine kleine Firma in Bremen auch an einem Serienmodell mit Elektromotor.
Die Fan-Urne „Bis zum bitteren Ende”
Das Modell auf dem Rad ist tatsächlich der einzige Sarg der Messe. Der Trend geht zur individuellen Urne. „Bis zum bitteren Ende – Die Toten Hosen“, steht auf einem schwarzen Behältnis. „Es gibt viele Menschen, die sich nicht klassisch bestatten lassen wollen“, sagt Meike Barnahl.
Die 43-Jährige ist Pastorin und Leiterin der Agentur „st. moment“ aus Eimsbüttel. Die Agentur ist ein Service der evangelischen Kirche. Barnahl berät Menschen, die ihre Taufe, Hochzeit oder Beerdigung individuell gestalten möchten.
Humus oder Diamant: Was geschieht nach dem Tod?
Gleich gegenüber werden sogenannte „Wasserurnen“ gezeigt, die eher an Kunstobjekte erinnern. Die hohlen Bronzekugeln tragen die Asche von bis zu zwei Verstorbenen in sich. Sobald es regnet, gibt die Kugel die Asche langsam in den Erdboden ab.
Auch die umweltfreundliche „Reerdigung” sorgt für Aufmerksamkeit: Dabei wird der Körper der Verstorbenen 40 Tage lang in einen Kokon gelegt, in dem ihn Mikroorganismen zu fruchtbarer Erde zersetzen. Die Erde wird in einem Friedhofsgrab beigesetzt und von den Angehörigen bepflanzt.
Wer es etwas luxuriöser möchte, kann sich nach dem Tod zum Diamanten pressen lassen. Die Firma „Algordanza“ aus der Schweiz wandelt die gesamte Asche der Verstorbenen oder Teile davon gegen das nötige Kleingeld in winzige bläuliche Diamanten um.
Bestattung: Besondere Details für einen schönen Abschied
Der 75-jährige Gerd-Dieter Ottmann sticht mit seiner Robe und dem schwarzen Zylinder aus den Besuchermassen heraus. Begeistert erzählt der Rentner von seinem abwechslungsreicher Nebenjob. Der Hummelsbütteler ist einer von 40 Sargträgern der Trägervermittlung „Albert Meyer & Co”. „Sargträger zu sein, das ist eine Ehrensache”, sagt Ottmann.
Nebenan kommt Messe-Besucherin Dörte Kukat gerade aus der Installation der Trauerfloristiker „Grüne Manufaktur“ heraus. Mit Kopfhörern und Tablet ausgestattet werden die Besucher dabei durch einen Hain aus Paradiesblumen geleitet. „Ich finde es wichtig den Hinterbliebenen einen schönen Abschied zu schaffen, der ihnen hilft den Tod zu verarbeiten“, sagt die 61-Jährige aus Henstedt-Ulzburg. Sie ist leitende Pflegefachkraft und beruflich oft mit dem Tod konfrontiert, von der Messe erhofft sie sich neue Anregungen.
Nach dem Tod: Schmuck aus Asche und Haaren
Um Erinnerungen für die Hinterbliebenen geht es auch bei Ramona Jänicke (39). Sie stellt mit der Stettiner Firma „moments“ ganz besondere Schmuckstücke her. In Kettenanhänger, Ringe oder Handschmeichler werden Erinnerungen an die Verstorbenen eingearbeitet. Das können zum Beispiel Haare, Asche oder Reste von Kleidungsstücken der Verstorbenen ein. „Die Angehörigen können mit dem Schmuck einen Moment festhalten und die Verstorbenen immer nah bei sich tragen“, sagt Jänicke.
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Hamburgs wohl sonderbarste Messe macht den Tod zu dem, was er ist, alltäglich. Hier fühlt es sich ganz natürlich an, über letzte Wünsche, die eigene Bestattung und Trauer zu sprechen. Gleichwohl wird deutlich, dass auch der Tod ein Geschäft ist, dass mit dem Versprechen von Einzigartigkeit lockt.