Kampf gegen die Mafia: So krass war der Kiez in den 80ern
Monatelang hatten die Reporter den „Silbersack“ gemietet, haben Dutzende Polizisten, Prostituierte und Politiker interviewt. Nun präsentiert die Filmproduktion „Gebrüder Beetz“ die TV-Doku über die „wilden“ 1980er Jahre auf dem Hamburger Kiez. Die MOPO sprach mit dem ersten Chef der Spezialeinheit „FD65“, Wolfgang Sielaff, über organisiertes Verbrechen, die Hells Angels und alltägliche Morddrohungen.
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Monatelang hatten die Reporter den „Silbersack“ gemietet, haben Dutzende Polizisten, Prostituierte und Politiker interviewt. Nun präsentiert die Filmproduktion „Gebrüder Beetz“ die TV-Doku über die „wilden“ 1980er Jahre auf dem Hamburger Kiez. Donnerstag startet in der ARD-Mediathek die Serie „Reeperbahn Spezialeinheit FD65“, ein „Special“ wird Sonntag um 21.45 Uhr nach dem „Tatort“ ausgestrahlt. Die MOPO sprach mit dem ersten Chef der Einheit, Wolfgang Sielaff, über organisiertes Verbrechen, die Hells Angels und alltägliche Morddrohungen.
Morde, Zuhälterkriege, illegales Glücksspiel. Anfang der 1980er Jahre galt St. Pauli als „Wilder Westen“ der Hansestadt. Politik und Polizeiführung sahen achselzuckend zu. Einige Beamte mischten sogar selbst mit. Doch für das neuartige Phänomen der „Organisierten Kriminalität“ gab es keine Abteilung bei der Polizei. Der damalige Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD) handelte schließlich und machte den Hamburger Kriminalisten Wolfgang Sielaff zum Leiter der ersten Einheit Deutschlands zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität: der Fachdirektion 65.
Ex-LKA-Chef Wolfgang Sielaff war erster Chef der Spezialeinheit „FD65“
„Natürlich gab es in Hamburg kein Mafia-Netzwerk wie in Italien oder den USA. Doch es gab kriminelle Banden mit einer eisernen Hierarchie. Dazu brutale Einschüchterungsmaßnahmen und maximales Profitstreben“, berichtet der pensionierte LKA-Chef Wolfgang Sielaff der MOPO. „Wir benötigen für die Bekämpfung dieser Strukturen ein neues kriminalistisches Konzept. Es musste oft verdeckt ermittelt werden und das auch über Jahre“, so Sielaff.
Damit er und sein Team unter strengster Geheimhaltung arbeiten konnten, gab es für die FD65 ein eigenes Stockwerk im Polizeipräsidium Berliner Tor. Nur ausgewählte Beamte hatten Zutritt. Stolz fügt Sielaff hinzu: „Alle Aktionen sind bis zum Schluss geheim geblieben. Die Gegner waren immer überrascht.“ Einmal seien sogar 600 Polizisten ausgerückt, um in ganz Hamburg Bordelle und Wohnungen zu durchsuchen und Haftbefehle zu vollstrecken. „Davon ist nichts durchgesickert,“ erinnert sich Sielaff.
Skrupel, gegen Beamte aus den eigenen Reihen zu ermitteln, hatte Sielaff keine: „Wenn jemand kriminell ist, ist er kriminell – da spielt es keine Rolle, ob er von Beruf Polizist ist oder nicht.“
Sielaff: „Ich wäre siebenmal erschossen worden“
Freunde machte sich Sielaff in der Unterwelt in der Zeit natürlich nicht. Viele Kriminelle wanderten seinetwegen ins Gefängnis. „Hätte ich jede Drohung ernst genommen, wäre ich schon siebenmal erschossen worden“ stellt der Kriminalist fest. Angst haben oder aufgeben kam für ihn nie infrage. Immer noch kampflustig sagt er zur MOPO: „Im Gegenteil! Es war zu wichtig – wir waren zum Erfolg verdammt.“
Der Pate von St. Pauli, die Zuhältervereinigung GMBH oder die Hells Angels: Welche kriminelle Vereinigung war am schlimmsten? Sielaff: „Am gefährlichsten waren der St. Pauli-Killer Pinzner und seine Auftraggeber und die Hells Angels.“ Im Gegensatz zu heute hätten sich die „Gangster“ damals aber noch offen auf der Reeperbahn präsentiert. Sielaff stellt fest: „Heute versteckt sich das organisierte Verbrechen hinter Firmen-Fassaden und Anwälten.“