Großeltern auf Zeit: Mich kann man als Oma leihen
Großeltern sind wichtige Bezugspersonen für Kinder. Doch was, wenn die eigene weit weg wohnen oder – noch schlimmer – gestorben sind? Hier schafft der Hamburger Verein „Jung und Alt“ Abhilfe. Er vermittelt sogenannte „Leihomas“ wie Kerstin Knör. Sie hat der MOPO erzählt, wie das funktioniert und warum sie diesen Job so mag.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
„Oma Kerstin“ nennt der kleine Florian die Frau in Jeans, die mit ihm im Sandkasten sitzt. Dabei sind die beiden gar nicht verwandt: Dass Kerstin Knör und der dreijährige Blondschopf so vertraut miteinander spielen, ist einem Hamburger Verein zu verdanken.
„Eins, zwei, jetzt kommt der Eiermann“, singt Kerstin Knör (57) in einen dünnen Ast auf einem Spielplatz in Barmbek – ihr „Mikrofon“. Florian (3) sitzt daneben und lacht. Knör hat ihn gerade vom Kindergarten abgeholt.
Die 57-jährige ehrenamtliche „Leih-Oma“ aus Winterhude betreut Florian zweimal im Monat für jeweils drei Stunden. Damit sieht er sie häufiger als seine weit entfernt lebenden „echten” Omas. Zusammengebracht hat die beiden der Verein „Jung und Alt“ vor eineinhalb Jahren
Neben Florian betreut Kerstin Knör vier weitere Kinder aus anderen Familien, sieht sich jedoch nicht als Nanny. „Bei ,Jung und Alt‘ geht es mehr um den Austausch zwischen den Generationen als um Kinderbetreuung“, sagt sie.
Leih-Oma Kerstin Knör ist Familienmitglied geworden
Für einen Monatsbeitrag von 30 Euro haben Eltern bei „Jung und Alt e.V.“ zweimal im Monat Anspruch auf Betreuung von jeweils vier bis sechs Stunden. Zudem gibt es eine „Oma-Opa-Feuerwehr“, die bei plötzlicher Krankheit oder Kitaschließung spontan einspringt. Sitz des Vereins ist am Mühlendamm in Hohenfelde.
Nach ihrer „Mikrofon-Durchsage“ baut Kerstin Knör mit Florian eine „Baustelle“ und einen „Parkplatz“ aus weiteren Ästen und Tannenzapfen. Florian lacht. „Oma Kerstin ist lustig“, sagt er.
Auch Mutter Stephanie Plesmann (41) mag „Oma Kerstin“. „Sie ist so interaktiv mit ihm. Und ich vertraue ihr.“ Während Knör mit Florian unterwegs ist, kann sie Arzttermine wahrnehmen oder wertvolle Zeit mit ihrem Mann verbringen. „Neulich waren mein Mann und ich zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder zu zweit im Restaurant“, sagt sie. Und Florian betrachte Kerstin Knör als vollwertiges Familienmitglied: „Er fragt immer wieder nach ihr und kann es kaum erwarten, sie zu sehen“, so Plesmann.
Darum ist Kerstin Knör „Leihoma“ geworden
Zu Florians drittem Geburtstag war Kerstin Knör eingeladen – wie eine echte Oma eben. Als kleines Dankeschön für ihren ehrenamtlichen Einsatz bekommt sie hin und wieder eine Aufmerksamkeit: Zum Beispiel einen Blumenstrauß, ein Puzzle oder Käsekuchen. Alles Dinge, die sie sehr gerne mag.
Kerstin Knör genießt jede Minute mit ihren „Leih-Enkelkindern“. Als Managerin war die kinderlose Vor-Ruheständlerin in der ganzen Welt unterwegs, wollte jedoch eigentlich immer „etwas mit Kindern“ machen. „Jetzt ist endlich die Zeit dafür gekommen“, sagt sie.
Das könnte Sie auch interessieren: Autos raus! So soll der Hamburger Stadtpark vergrößert werden
Der Bedarf an „Leihomas“ bei „Jung und Alt e.V.“ ist riesig. Jeder kann anrufen und sich bewerben. Und wer Glück hat, gewinnt eine ganz neue Familie hinzu, so wie Kerstin Knör. Die bringt Florian jetzt nach Hause – und freut sich schon auf das nächste Mal, wenn sie ihn von der Kita abholen darf.