„Der nahbarste Mensch, den ich kenne“: Jan Delay über den „allerderbsten“ Hamburger
Er ist eine lebende Legende: Am Mittwoch wird der Udo Lindenberg Hamburger Ehrenbürger – die höchste Auszeichnung, die seine Wahlheimat zu bieten hat. Mit Jan Delay verbindet den Panikrocker eine jahrelange Freundschaft. In der MOPO gratuliert der Rapper seinem Freund und Mentor:
Ich kenne zwar kaum jemanden, der so scharfsinnig und aufmerksam durchs Leben geht wie Udo. Doch an unser allererstes Treffen erinnert er sich tatsächlich gar nicht mehr. Das war 1996 auf dem Spielbudenplatz.
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Er ist eine lebende Legende: Am Mittwoch wird der Udo Lindenberg Hamburger Ehrenbürger – die höchste Auszeichnung, die seine Wahlheimat zu bieten hat. Mit Jan Delay verbindet den Panikrocker eine jahrelange Freundschaft. In der MOPO gratuliert der Rapper seinem Freund und Mentor:
Ich kenne zwar kaum jemanden, der so scharfsinnig und aufmerksam durchs Leben geht wie Udo. Doch an unser allererstes Treffen erinnert er sich tatsächlich gar nicht mehr. Das war 1996 auf dem Spielbudenplatz.
Damals gab es da noch diesen Glaskasten und am Rande einer Comic-Ausstellung ist Dynamite Deluxe, die ich damals gemanaged habe, als Vorband von Freundeskreis aufgetreten. Weil Udo einen Song mit Max (Herre von Freundeskreis – Red.) zusammen perfomed hat, war er auch vor Ort. Ich hatte extra vorher ein Tape von Dynamite Deluxe eingesteckt, um es ihm zu geben.
Dann stand er irgendwann an der Seite der Bühne und ich meinte zu ihm, dass er der Allerderbste sei und sich mal das Demo anhören solle. Er meinte nur: „Jo, geil, checke ich mal aus.“ Ich weiß allerdings bis heute nicht, ob er es je gehört hast. Ich habe ihm irgendwann noch mal von dem Treffen erzählt, er konnte sich aber nicht mehr daran erinnern.
Jan Delay gratuliert Udo Lindenberg zur Ehrenbürgerwürde
Bevor wir uns so gut kannten wie heute, haben sich unsere Leben sowieso häufiger gekreuzt, ohne dass er davon wusste. Ich bin 300 Meter Luftlinie entfernt vom „Onkel Pö“ geboren, hörte als Sechsjähriger seine Musik, die mich schon damals wegen seines einzigartigen Flows und dieses Sentimentalen, Melancholischen in seiner Stimme richtig elektrisiert hat.
Und ich spielte irgendwann dann sogar auf dem Schlagzeug von ihm, was ich erst viel später erfahren habe. Meine Eltern hatten nicht genug Kohle, um mir, als ich kleiner war, neue Drums zu kaufen, und dann hat mir mein Vater ’ne Bass Drum und ’ne Snare Drum aus dem Bekanntenkreis besorgt. Und das war original das von Udo, weil der mit der Schwester von einem Freund meiner Mutter zusammen war und die so über Umwege zu mir fand.
Jan Delay über erstes Treffen mit Lindenberg
Vor fast 20 Jahren haben wir uns dann erst so wirklich kennengelernt. Die Leute denken immer, dass er krass unnahbar wäre, dabei ist er der nahbarste Mensch, den ich kenne. Die Leute denken auch immer, er sei eine Kunstfigur, die so rumlallt, aber er ist so. Gleichzeitig hat er den schärfsten Verstand, die schärfste Auffassungsgabe und ist immer präsent.
Als ich ihn das erste Mal so richtig getroffen habe, hingen wir irgendwo in einem Zimmer backstage, 20 Leute standen rum, alle sabbelten sich voll und er redete auf seine Udo-Art mit mir und wand sich kurz ab, um ein Fenster zu öffnen. Dann sabbelte ihn jemand anderes an und noch einer, aber danach kam er wieder und stieg mitten in dem Satz ein, bei dem wir aufgehört hatten. Da dachte ich: Mann, der ist voll am Start.
Diese ganze Figur, die man glaubt zu kennen, dieses Verpeilte, das ist er überhaupt nicht. Null. Udo ist volles Brett, der weiß immer ganz genau, was geht und hat alles auf dem Schirm. Das war ein richtiger Aha-Moment mit ihm.
Die Musiker verbindet eine jahrelange Freundschaft
Außerdem ähneln wir uns in supervielen Dingen, springen auf die gleichen Dinge emotional auf und können uns tatsächlich über so ziemlich alles unterhalten. Musikalisch ist er noch heute ein krasses Vorbild.
Es kickt mich immer noch, wenn ich sein Zeug aus den 70ern höre. Ende der 80er hatte ich ihn dagegen musikalisch verloren. Die erste Platte, die ich mir selbst gekauft habe, war „Sündenfall“ von ihm. Die habe ich noch voll gefeiert. Die war auch schon voll mit Synthis und danach kamen dann die ganzen E-Gitarren, der ganze Pseudo-AC/DC-Quatsch und immer mehr Alkohol, da war ich dann raus. Stattdessen habe ich mir die ganzen alten Platten von ihm geholt.
„Ende der 80er hatte ich Udo Lindenberg musikalisch verloren“
Die neuen Sachen jetzt sind wieder super, auch weil Andreas Herbig die gemacht hat. Der war lange mein Studionachbar und wir sind beide die gleiche Art von Udo-Fans und haben immer gesagt: Wenn Udo mal wieder kommt, dann braucht er genau so ’ne Platte mit dem Vibe aus den 70ern. Andreas ist der einzige Mensch in Deutschland, von dem ich wusste: Wenn es einen gibt, der das hinkriegt, dann er.
Jan Delay: „Krasser Fan“ von Udo Lindenberg
Die musikalische Zusammenarbeit mit Udo hat mich vor allem in einem Punkt weitergebracht: für später. Wenn ich mal so alt bin wie er, dann will ich alles genauso machen wie er. Ich kenne einfach nicht viele 76-Jährige, die über eine 100 Meter breite Bühne rennen und das drei Stunden lang.
Zuletzt hatten wir wegen Corona superwenig persönlichen Kontakt, mussten uns mit Telefonaten begnügen. Nach einem Konzert habe ich ihn sogar extra auf dem Parkplatz abgepasst, damit ich wenigstens mal durch die Autoscheibe mit ihm quatschen kann.
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Was immer bleiben wird, ist, dass ich krasser Fan von ihm bin. Für Hamburg ist es eine Ehre, ihn als Ehrenbürger zu haben.