Hilfsbereit und alleingelassen: Warum die Flüchtlingshelfer gefrustet sind
Vor einem halben Jahr traf Jana Karras (32) aus Glinde mit ihrer Familie eine Entscheidung, die ihr Leben komplett umkrempelte. Sie fuhr nach Warschau und holte die Ukrainerin Yevheniia Heier (48) und deren 12-jährige Tochter Dariia zu sich. Seitdem wohnen Glinder und Ukrainer zu fünft auf 75 Quadratmetern. Für ihre Gäste sucht Karras nun nach einer eigenen Wohnung. Doch die Behörden scheinen mit der Eingliederung der vielen Geflüchteten überfordert zu sein.
Jana Karras und Freund Mario Bolz (41) zeigen der MOPO die Ausziehcouch im Wohnzimmer auf der sie aktuell schlafen. Das Schlafzimmer haben sie Yevheniia Heier und ihrer Tochter überlassen. Im Kinderzimmer wohnt Karras 13-jähriger Sohn Kjell.
Die offene Küche und das Bad teilen sich alle gemeinsam, da kann es morgens schon mal hektisch werden. Eine echte Privatsphäre hat hier keine der beiden Familien.
- Deutsch (Deutschland)
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Vor einem halben Jahr traf Jana Karras (32) aus Glinde mit ihrer Familie eine Entscheidung, die ihr Leben komplett umkrempelte. Sie fuhr nach Warschau und holte die Ukrainerin Yevheniia Heier (48) und deren 12-jährige Tochter Dariia zu sich. Seitdem wohnen Glinder und Ukrainer zu fünft auf 75 Quadratmetern. Für ihre Gäste sucht Karras nun nach einer eigenen Wohnung. Doch die Behörden scheinen mit der Eingliederung der vielen Geflüchteten überfordert zu sein.
Jana Karras und Freund Mario Bolz (41) zeigen der MOPO die Ausziehcouch im Wohnzimmer auf der sie aktuell schlafen. Das Schlafzimmer haben sie Yevheniia Heier und ihrer Tochter überlassen. Im Kinderzimmer wohnt Karras 13-jähriger Sohn Kjell.
Die offene Küche und das Bad teilen sich alle gemeinsam, da kann es morgens schon mal hektisch werden. Eine echte Privatsphäre hat hier keine der beiden Familien.
Ukraine-Krieg: Private Flüchtlingshilfe aus Glinde
„Wir wollten einfach helfen, als der Krieg ausbrach und haben über Facebook Yevheniia kennengelernt“, sagt Karras. Ehrenamtler in Deutschland suchten dort nach Familien, die Geflüchtete aufnehmen würden.
Kurz darauf fuhr Familie Karras nach Polen, von wo sie Yevheniia Heier und Tochter Dariia abholten – der Ehemann und der Rest der Familie konnten nicht mitkommen, sie sind in der Stadt Dnipro im Zentrum der Ukraine geblieben.
Yevheniia Heier wirkt noch etwas schüchtern. Sie spricht fließend Englisch und versteht auch schon etwas Deutsch, wenn man langsam mit ihr spricht. Ob sie irgendwann zurück kann in die Ukraine? Sie hat Angst darüber nachzudenken.
Aktuell hofft Yevheniia Heier, die in ihrer Heimat als Finanzanalystin angestellt war, in Deutschland eine Arbeit zu finden und eine eigene Wohnung zu beziehen. „Familie Karras ist wundervoll“, sagt sie. „Aber wir möchten ihnen ihre Privatsphäre zurückgeben.“
Flüchtlingshelferin: „Ich würde es nicht noch mal machen“
Jana Karras hilft ihr bei allen wichtigen Behördengängen, organisiert Sprachkurse und hat einen Schulplatz für Dariia organisiert. Doch der Wohnungsmarkt in Glinde ist überlaufen. Trotz mehrerer Anfragen bei der Stadt findet Karras keine Wohnung für ihre Gäste.
„Ich würde es nicht noch mal machen“, sagt die private Flüchtlingshelferin inzwischen desillusioniert. „Wir machen das alles freiwillig, weil wir nicht tatenlos zusehen wollten, und nehmen dafür gern Kosten und Stress in Kauf. Aber etwas Hilfe der Stadt ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Bisher gab es nur eine einzige Antwort auf meine vielen Anfragen.“
Stadt Glinde: „Sind bemüht eine Lösung zu finden”
Die MOPO fragt bei der Stadt Glinde nach: „Die Situation der Familie Heier ist bei uns in der Stadtverwaltung bekannt und wir sind bemüht, eine Lösung zu finden“, sagt Sprecherin Katharina Richter.
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Ende Juni wurde sie mit ihrer Tochter als eine von drei möglichen Kandidaten für eine Wohnung des örtlich größten Anbieters, der Vonovia, vorgeschlagen. Eine Rückmeldung gab es nie.
„Ob und wie sich die Vonovia bei Frau Heier zurückgemeldet hat, entzieht sich unserer Kenntnis“, so die Stadt. Die Aussagen zeugen davon, dass auch die Behörden kaum noch wissen, wie sie die vielen Kriegsgeflüchteten unterbringen sollen.
„Derzeit ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Glinde leider sehr angespannt und wir haben eine lange Warteliste für sozialen Wohnraum. Leider sind derzeit auch die Kapazitäten unserer Flüchtlingsunterkünfte voll ausgeschöpft“, so Richter.
Hamburg sucht nach Flüchtlingsunterkünften
Aktuell könne man nur wenige Wohnraumangebote machen. Allerdings bedanke sich die Stadt für die Geduld der Beteiligten und das Engagement der privaten Flüchtlingshelfer:innen. Die Wohnsituation von Familie Karras und Familie Heier ist inzwischen kein Einzelfall mehr. Und auch in der größeren Nachbarstadt Hamburg wird händeringend nach Unterkünften für Geflüchtete gesucht.
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Gemeinnützige Organisationen riefen am Donnerstag dazu auf, die Stadt zu unterstützen und Schutzsuchende privat aufzunehmen. Laut Innenbehörde leben aktuell etwa 12.750 Geflüchtete aus der Ukraine in städtischen Unterkünften, täglich kommen zusätzlich 60 bis 100 Kriegsflüchtlinge in die Stadt.