Cum-Ex-Experte attackiert Scholz: Warum seine Erinnerungslücken unglaubwürdig sind
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll am Freitag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Cum-Ex-Steuergeldaffäre um die Warburg-Bank aussagen. Es ist sein zweiter Termin. Beim ersten Mal berief er sich in Detailfragen häufig auf Erinnerungslücken. Die MOPO hat mit Ausschussmitglied Norbert Hackbusch (Linke) darüber gesprochen, warum er Scholz für unglaubwürdig hält, was es mit den verschwundenen Mails auf sich hat und warum die Hamburger Staatsanwaltschaft sich zurückhält.
Zur Erinnerung: Scholz war zur Zeit des Cum-Ex-Skandals Bürgermeister von Hamburg. 2016 hat er sich mehrmals mit Christian Olearius, dem Mitinhaber der Warburg-Bank getroffen. Kurz darauf entschied die Hamburger Finanzverwaltung auf Steuerrückzahlungen von 47 Millionen Euro zu verzichten, die die Bank mit Cum-Ex-Geschäften erbeutet hatte.
An einige Details aus den Gesprächen könne sich Scholz heute nicht mehr erinnern. Er streitet allerdings ab, Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Bank genommen zu haben. Bei seiner zweiten Anhörung in Ausschuss am Freitag wird er sich unter anderem erneut den Fragen des Finanzexperten der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, stellen müssen.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll am Freitag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Cum-Ex-Steuergeldaffäre um die Warburg-Bank aussagen. Es ist sein zweiter Termin. Beim ersten Mal berief er sich in Detailfragen häufig auf Erinnerungslücken. Die MOPO hat mit Ausschussmitglied Norbert Hackbusch (Linke) darüber gesprochen, warum er Scholz für unglaubwürdig hält, was es mit den verschwundenen Mails auf sich hat und warum die Hamburger Staatsanwaltschaft sich zurückhält.
Zur Erinnerung: Scholz war zur Zeit des Cum-Ex-Skandals Bürgermeister von Hamburg. 2016 hat er sich mehrmals mit Christian Olearius, dem Mitinhaber der Warburg-Bank getroffen. Kurz darauf entschied die Hamburger Finanzverwaltung auf Steuerrückzahlungen von 47 Millionen Euro zu verzichten, die die Bank mit Cum-Ex-Geschäften erbeutet hatte.
An einige Details aus den Gesprächen könne sich Scholz heute nicht mehr erinnern. Er streitet allerdings ab, Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Bank genommen zu haben. Bei seiner zweiten Anhörung in Ausschuss am Freitag wird er sich unter anderem erneut den Fragen des Finanzexperten der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, stellen müssen.
MOPO: Herr Hackbusch, Olaf Scholz (SPD) soll am Freitag ein zweites Mal vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Welche Antworten ist Scholz beim letzten Mal schuldig geblieben?
Norbert Hackbusch: Es ist völlig unglaubwürdig, wenn Scholz sagt, er erinnert sich nicht mehr daran, dass ein Chef einer Bank zu ihm als damaligen Hamburger Bürgermeister hingetreten ist und gesagt hat: „Ich habe Probleme mit dem Finanzamt. Die wollen Millionen von mir zurückhaben, aber dann geht meine Bank pleite.“
Scholz sagte bei seiner ersten Vernehmung im April 2021, dass er niemals auf das Steuerverfahren Warburg Einfluss genommen hat. Warum halten Sie ihn trotzdem für unglaubwürdig?
Dieser Vorwurf der direkten Einflussnahme ist nicht unbedingt entscheidend, man kann auch eine schützende Hand über Vorgänge halten. Das Problem, vor dem wir stehen, ist, dass die Wünsche, die Herr Olearius 2016 hatte, in Erfüllung gegangen sind. Er musste damals die geraubten Steuergelder nicht zurückzahlen. Dafür hätte die schützende Hand ausgereicht.
An Details der Treffen mit Olearius kann sich Scholz laut eigener Aussage nicht erinnern. Was tun Sie, wenn er weiter bei dieser Überzeugung bleibt?
Wir haben inzwischen mehr Informationen als beim letzten Mal. Ich werde jetzt nicht alle Fragen im Detail verraten. Aber unter anderem werde ich ihn noch mal fragen, was er zur Situation der Warburg-Bank wusste, auch im Kontext mit Herrn Kahrs.
Der ehemalige SPD-Politiker Johannes Kahrs gilt als Türöffner für Christian Olearius in die Politik.
Genau, er tauchte als Laufbursche des Herrn Olearius auf, deshalb würde mich mal interessieren, wie die Diskussion mit Herrn Scholz diesbezüglich war.
Inwiefern werden auch die rund 200.000 Euro, die kürzlich in Kahrs Schließfach entdeckt wurden, zum Thema?
Das Geld wurde bei den Durchsuchungen zu den Cum-Ex-Vorwürfen gefunden. Sie beweisen keine Einflussnahme, aber sie zeigen auf, welch eine dubiose Figur diese wichtige Persönlichkeit der Hamburger SPD ist.
Dem Untersuchungsausschuss waren Berichte der ermittelnden Staatsanwaltschaft Köln zugegangen. In einem Chat schrieb die zuständige Finanzbeamtin Daniela P. von einem „teuflischen Plan“. Was könnte damit gemeint sein?
Das wissen wir noch nicht, aber wir haben die Chatpartnerin von Frau P. eingeladen für einen der kommenden Termine. Da wird wohl auch ein Funken Ironie dabei gewesen sein, aber unabhängig davon zeigt die Nachricht, dass es keine einfache juristische Entscheidung gab, sondern ein großes Spannungsverhältnis.
Können Sie das näher erläutern?
Nicht nur 2016, sondern auch in den Jahren 2017 bis 2019 standen die Finanzbehörde und Frau P. nach unseren Erkenntnissen vehement auf der Seite der Warburg-Bank – gegen die Betriebsprüfer und das Bundesfinanzministerium.
Die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft hat von einer Ermittlung gegen Scholz abgesehen, in Köln wird unterdessen gegen zwei ehemalige Hamburger SPD-Politiker, unter anderem Kahrs, und eine Finanzbeamtin ermittelt. Warum ermittelt in diesem Fall Köln und in Hamburg tut sich nichts?
Die Kompetenz in Cum-Ex-Fällen hat sich eindeutig Köln erworben und Hamburg hat diesbezüglich etwas geschlafen in den letzten Jahren. Allen voran hat hier die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker starke Aufklärungsarbeit geleistet. Davon kann Hamburg noch lernen.
Die Ermittler in Köln haben Hinweise auf eine „gezielte Löschung“ von Mails zu den Themen Cum-Ex und Warburg in der Hamburger Finanzverwaltung gefunden. Was hat es damit auf sich?
Der Vorwurf ist sehr kräftig. Wenn ein PUA eingesetzt wird und er Informationen gezielt nicht erhält, ist das ein großes demokratisches Thema, dem wir uns noch widmen werden. Es gehört zu einem demokratischen Staat, dass wichtige Handlungen der Behörden transparent dargestellt werden und nachvollzogen werden können.
Die Zeugenbefragung mit Scholz am Freitag ist zunächst der letzte Termin dieser Art. Wie geht es danach weiter?
Wir werden nächste Woche Mittwoch gemeinsam mit der CDU einen Beschluss fällen, dass wir den Untersuchungsauftrag ausweiten.
Auf welche Themen wird die Untersuchung ausgeweitet?
Wir haben vor Kurzem erst das Material der Staatsanwaltschaft erhalten, dass Anlass für weitere Fragen liefert. Außerdem könnte es sein, dass uns Akten fehlen, weil Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte nicht klar getrennt worden sind.
Die nächste wichtige Frage ist: Ist Hamburg wirklich so ein wichtiger Vorreiter gewesen für die Aufklärung von Steuerbetrug und Steuerraub, wie Herr Tschentscher und die Finanzbehörde es darstellen? Bei Warburg hat es zumindest nicht geklappt. Deshalb wollen wir uns ansehen, wie die Hamburger Finanzbehörde mit den Cum-Ex-Geschäften der HSH-Nordbank umgegangen ist.
Mehr als eineinhalb Jahre Untersuchungsausschuss und bislang gibt es nur Indizien, aber keine Beweise für eine politische Einflussnahme. An welchem Punkt würden sie sagen: Wir kommen nicht mehr weiter?
Parlamentarisches Untersuchungsausschüsse sind immer so etwas wie ein demokratisches Erziehungsprogramm für eine Behörde. Es gibt meistens keinen großen Knall oder eine große Aufdeckung. Wir wollen wissen, ob die Finanzbehörde gut gegen die Steuerräuber gekämpft hat. Da haben wir schon in der Behörde ein anderes Bewusstsein geschaffen. Und die zweite Frage ist: Gab es eine schützende Hand? Das werden wir sehen.
Das beantwortet nicht die Frage.
Die Durchsuchung der Staatsanwaltschaft bei den zwei SPD-Mitgliedern und der Finanzbeamtin war vor einem Jahr und wir haben noch nicht mal das vollständig ausgewertete Material. Wir hatten eigentlich auch gedacht, dass wir im dritten Quartal fertig werden. Ein Ende ist jetzt also noch nicht absehbar.