Letzte Filiale dicht! Nächste Bruchlandung des Hamburger Brot-Königs
Sein Name steht für hohe Brotkunst – und zahlreiche Pleiten. Jochen Gaues (56) ist eine Mischung aus Teig-Genie, Prolet und Harakiri-Unternehmer. Seit Jahren versucht der Bäcker, nach seiner Insolvenz Anfang der 2000er Jahre, beruflich wieder auf die Beine zu kommen. Zuletzt lieh er – wie schon diverse Male zuvor – einer Kette seinen Namen. Doch auch „Der echte Gaues“ konnte sich nicht halten. Nun macht auch die letzte Filiale in Hamburg dicht – das Ende einer steilen Brot-Karriere. Oder doch nicht?
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Sein Name steht für hohe Brotkunst – und zahlreiche Pleiten. Jochen Gaues (56) ist eine Mischung aus Teig-Genie, Prolet und Harakiri-Unternehmer. Seit Jahren versucht der Bäcker, nach seiner Insolvenz Anfang der 2000er Jahre, beruflich wieder auf die Beine zu kommen. Zuletzt lieh er – wie schon diverse Male zuvor – einer Kette seinen Namen. Doch auch „Der echte Gaues“ konnte sich nicht halten. Nun macht auch die letzte Filiale in Hamburg dicht – das Ende einer steilen Brot-Karriere. Oder doch nicht?
Mitte dieser Woche soll das Geschäft am Lehmweg (Hoheluft-Ost) schließen – das Ende einer ambitionierten Brot-Karriere: Jochen Gaues (Markenzeichen „Motörhead“-T-Shirt und Brote mit sehr dunkler Kruste) war der Überflieger der Bäckerszene. Einer, der gerne laut erzählte, was er alles könne – und andere nicht. Der schnelle Autos fuhr, Partys liebte. Bundesweit erlangte er Berühmtheit durch die Debatte, ob sich ein Bundespräsident Brot aus Hannover nach Berlin ins Schloss Bellevue bringen lassen darf.
Jochen Gaues will schon als Kind Bäckermeister werden
Gaues nutzte seine Popularität, belieferte zahlreiche Top-Gastronomien – und verhob sich. Immer wieder ging er pleite, fand jemanden, der mit seinem Namen Geld verdienen wollte, ließ sich als Bäcker anstellen, gab im Gegenzug seine Rezepte frei – doch so wirklich geklappt hat es in den vergangenen Jahren nirgends. Immer wieder verließ er die Unternehmen, wie auch jetzt.
Schon als Kind weiß Gaues, was er später werden möchte, wie er vor Jahren der MOPO erzählte. Während andere Grundschüler Fußballspieler oder Streifenwagen malten, zeichnet er als Achtjähriger Backwaren. Seine Eltern gehen mit ihm zum Psychologen, wollen wissen, ob der Junge besonders schlau sei. Die Diagnose? Eindeutig, erinnerte sich Gaues: „Nein, der will bloß Bäcker werden“, soll der Gutachter gesagt haben. Es ist eine der Geschichten, die er gerne erzählt. Sie gehören zu seinem Image: Ein Mann, der für das Bäcker-Handwerk bestimmt ist.
Insolvenz, Ferrari, Scheidung: Gaues‘ Karriere eine Achterbahnfahrt
Als junger Kerl macht er sich selbstständig, übernimmt einen alten Betrieb und startet durch. Ciabatta, Schweizer Bürli, Sylter Weißbrot, Vinschgauer – die Brote von Jochen Gaues sind Kunstwerke. Viel mehr kann man aus Teig nicht herausholen. Doch der Aufstieg wird zum Boomerang: Er habe viel verdient und viel ausgegeben, so Gaues. Spötter gaben ihm den Spitznamen „Ferrari-Jochen“.
Gaues verlor den Überblick über das Geschäft – und sein Privatleben. Eine seiner Anekdoten: Als er kein Geld für ein Taxi parat hat, bezahlte er mit seiner Uhr. Eine Patek Philippe, Wert: 12.000 Euro.
2002 geht seine erste Ehe in die Brüche. Der Akademikersohn muss Insolvenz anmelden. Auch der nächste Anlauf mit seiner neuen Frau Betti als „Broterbe Gaues“ geht schief. Hygienemängel, Geldstrafen, Insolvenz, gesundheitliche Probleme – die Karriere des Back-Lautsprechers gleicht immer wieder einer Achterbahnfahrt. Er versucht es aber weiter.
Viele Bäckereien verkaufen Brot nach den Gaues-Rezepten
Die „Backgeschwister“, die sich nach der Trennung von Gaues umbenannt hatten, baute er mit seinen Rezepten mit auf. Anschließend kooperierte er mit der „Schanzenbäckerei“, es folgte „Der echte Gaues“ mit Backstube in Wandsbek. Doch so richtig erfolgreich wurde es für ihn nicht mehr. Zwar zählten zu seinen Kunden weiterhin Spitzengastronomen, wie jedoch das „Abendblatt“ berichtet, war die letzte Gaues-Filiale am Lehmweg seit der Eröffnung vor etwa zwei Jahren jeden Monat defizitär.
Gaues, der als Bäcker dort angestellt war, ist laut des Berichts bereits vor einiger Zeit aus dem Unternehmen ausgeschieden. Spätestens ab dem 1. Juli sollen demnach auch die Verkaufsstellen in den Supermärkten und Gastronomie nicht mehr beliefert werden. Die Filiale im Pöseldorf Center (Rotherbaum) ist bereits seit Mitte Mai dicht.
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Gaues selbst sagt über sich, dass Aufgeben ihm nicht sonderlich liege. Entsprechend dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Mann, der mal Glatze und mal Rockabilly-Haarschnitt trägt, wieder an einem Backofen auftaucht – und den nächsten Anlauf startet. Die Liebe zum Brot und seine Sucht nach Anerkennung treiben ihn schließlich an.
Daran konnten (bisher) auch die zahlreichen Bruchlandungen nichts ändern. Er braucht nur jemanden, der es mit ihm nochmal probiert. Doch diesen zu finden, so viel ist klar, dürfte nach den vielen Pleiten nicht so einfach werden.