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Messi, efootball
  • Traurig schaut Lionel Messi auf dem Cover von efootball aus. Kein Wunder.
  • Foto: Konami

Meinung zu Konamis PES-Nachfolger efootball: Das Spiel ist aus!

Es ist an der Zeit, Abschied zu nehmen. Ein Kind der ersten Stunde geht von uns, es wurde nur etwas mehr als 20 Jahre alt: Der japanische Spieleentwickler Konami arbeitet seit 30 Monaten beeindruckend konsequent am Aus für seine Fußballsimulation efootball (formerly known as Pro Evolution Soccer, kurz auch: PES), und es fühlt sich so an, als würden die letzten lebenserhaltenden Maßnahmen in diesen Monaten portionsweise abgestellt. Dabei mutet es fast schon grausam an, wie das lange so beliebte Spiel sehenden Auges auf die Schlachtbank geführt wird.

PES war seit jeher dynamischer und realistischer als Konkurrent FIFA von EA Sports und hat, das ist wohl unstrittig, stets das bessere Gameplay gehabt. Dauerhaft der entscheidende Nachteil: die fehlenden Lizenzen für die großen Ligen, die großen Klubs, die großen Spielernamen.

Konami rief mit efootball eine PES-Revolution aus

Aber damit lernte man als Konsument zu leben. Im Grunde konnte man sich vom reinen Spielerlebnis her immer auf stabile Grundfeste verlassen, auch wenn die Pro-Evolution-Entwicklungskurve weiß Gott nicht stetig nach oben zeigte. Es gab auch schwache Jahrgänge, wie zum Beispiel die letzte renovierte Vollversion 2020. Die bot etliche Vorteile für solche, die mit dem Sport Fußball als solchem nicht wirklich firm sind, weil sie so viele spielbezogene Bugs beherbergte, dass man den Kammerjäger hatte alarmieren wollen.

Dann rief Konami die große Revolution aus, warf 2021 die Version des Vorjahres nochmal auf den Markt, nur mit den Updates der jeweiligen Mannschaftskader, und kündigte vollmundig quasi eine Weltneuheit an. Das Baby bekam den Namen efootball, die 20er- und 21er-Versionen erhielten kurzerhand nachträglich diesen Beinamen, und alle Pro-Evo-Jünger:innen fieberten erwartungsfroh dem Release des neuen Free2Play-Modells entgegen. Schließlich hatte Konami zwei komplette Jahre Zeit gehabt, an efootball zu arbeiten.

Reputationsarmageddon nach erstem Release

Stattdessen aber waren offenbar alle Mitarbeiter:innen im Urlaub, in Kurzarbeit, Quarantäne oder auf Kur, man weiß es nicht. Heraus kam im vergangenen September jedenfalls die Beta-Version einer Praktikantenarbeit, so indiskutabel desaströs, dass Volkes Zorn explodierte und das Produkt eigentlich bis heute als konkurrenzlos gilt im Kampf um das schlechteste Spiel des Jahres 2021. Konami reagierte auf den Reputationsarmageddon – das war auch alternativlos – und gelobte Besserung. Was nicht minder alternativlos war, wollte man nicht gleich die weiße Fahne hissen.

Nach sechs Monaten Nacharbeit kam Mitte April die Version 1.0.0. auf den Markt, zunächst probegespielt von einigen ausgesuchten, möglichst wenig kritischen Journalisten, denen eine unterhaltsame Begründung für das bisherige Desaster geliefert wurde: „Wir waren zu sehr auf das Veröffentlichungsdatum fokussiert”, wird der Producer Seitaro Kimura unter anderem auf „kicker.de” zitiert. Entweder fehlt hier ein entscheidender Halbsatz („…, das uns genau einen Tag vorher wieder eingefallen ist”), oder es ist eine blümerant-bunte Umschreibung der Tatsache, dass man zwei Jahre lang auf dem Baum geschlafen hat.

Auch die aktuelle Version ist Lichtjahre weg von gut

Denn die neue Version, vor wenigen Tagen marginal verändert durch das Update 1.1.0, hat zwar tatsächlich Züge eines Fußballspiels, vom Attribut gut ist efootball aber auch im Frühsommer 2022 noch Lichtjahre entfernt. Wäre das Spiel der Versuch eines Novizen, auf dem Markt Fuß zu fassen, könnte man sagen: Vernünftige Ansätze, kann in ein paar Jahren mal was werden. Da hier aber der bisherige Branchenprinz am Werke war, gelten andere Kriterien. Und denen hält efootball nicht für eine Kopeke stand.

Lassen wir die nach wie vor regelmäßig auftauchenden technischen Unzulänglichkeiten beiseite, die einem immerhin in Form von Entschuldigungen des Admins regelmäßig abertausende Taler der spieleigenen Währung bescheren, und konzentrieren uns auf das reine Kicken. Das hat tatsächlich ein paar Neuerungen zu bieten.
Die zuvor absurde Häufigkeit der massenhaften meterweiten Abseitsstellungen wurde in jeder Beziehung der Realität angeglichen, der Keeper stürzt sich nicht mehr mit einer Glanzparade auf jeden 0,5-km/h-Schuss, ist dafür aber schwer zurechnungsfähig geworden: Nahezu jeder noch so mit Schnee beladene Ball wird gefaustet statt gefangen, ein eigener Abwehrspieler, der einen langen Ball abläuft, ist für ihn noch lange kein Grund, nicht trotzdem rauszulaufen und die Kugel wegzudreschen, in seltenen Highlight-Fällen auch gegen den vor ihm stehenden Mitspieler.

Wie mit nackten Füßen auf einem gefrorenen Teich

Der Mittelstürmer, der nach Anstoß nach vorne sprintet und mittels langem Ball in geschätzt einem Viertel der Fälle allein vor dem Keeper stand, ist auch größtenteils Geschichte. Allerdings ist die Wahl des Mittels dabei schwer diskutabel: Er hört nämlich regelmäßig immer in dem Moment auf zu laufen, wenn man gerade den Steilpass losgejagt hat.

Schier zur Verzweiflung bringt einen die Veränderung beim Führen von Zweikämpfen. Wer im Tempo mit seinem Abwehrmann auf den ballführenden Gegner zuläuft, ist hoffnungslos verloren, sobald der Kontrahent eine winzige Richtungsänderung vornimmt, weil zu folgen schlicht nicht möglich ist. Als hätte man einen gefrorenen Teich unter den nackten Füßen, gleitet man unsicher über den Rasen, um mit der Reaktionsgeschwindigkeit einer Gletscherzunge vergeblich zu versuchen, den längst enteilten Offensivmann nicht vollends aus den Augen zu verlieren.

Ebenfalls neu: Pässe, die einfach dicht am Zielspieler vorbeirollen, weil offenbar kein Interesse am Ball besteht, eine merklich gestiegene Ungenauigkeit bei Steilpässen, eine Häufung an albernen Roten Karten bei zeitgleicher Erlaubnis, ungestraft Achillessehnen zu polieren, sowie eine spürbare Drosselung des Spieltempos. Und wer mit Ball zwecks Flankenlauf gen Torauslinie sprintet, sollte ab etwa Sechzehnerhöhe den Anker werfen, sonst reicht der Bremsweg nicht aus.

Katastrophale Laufwege und Ego-Abseitsfalle

Dazu kommen nicht ausgemerzte und immer noch nervtötende Defizite aus der 2020er-Version. Eine Essenz: Die Laufwege, vor allem die im Angriffsbereich, sind wie gehabt ein Tritt ins Gemächt einer jeden Theken-Truppe, in schöner Regelmäßigkeit rennen sich die eigenen Akteure weiterhin munter über den Haufen, gern steht immer noch ein Mitspieler klärend im Weg, wenn man gerade einen vielversprechenden Torschuss abgegeben hat. Nach wie vor ist in der Rückwärtsbewegung entgegen allen Gepflogenheiten von Kreis- bis Bundesliga einer der Innenverteidiger der erste Spieler, den man zwecks Verlassens der Abwehrkette zugeteilt bekommt, wenn man sich einem gegnerischen Konter entgegenstellen will. Dann wäre da noch die Ego-Abseitsfalle in besonders aussichtsarmen Situationen, die ein Verteidiger durch abruptes Stehenbleiben spontan ins Leben ruft, ohne dass man was dagegen tun kann. Und, und, und…

efootball spielt sich wie Fußball auf Valium

Es fällt einem mächtig schwer, efootball irgendwas Positives abzugewinnen. Weil es nahezu alles konterkariert, was den modernen realen Sport dieser Zeit mit seinem Tempo, den technischen Fertigkeiten, der Intensität und Dynamik auszeichnet. Quasi Fußball auf Valium. Und vor allem weil es ein Spiel ist, das beim Versuch, das Niveau des eigenen zweieinhalb Jahre alten (und nicht überragenden) Vorgängers zu erreichen, kläglich scheitert. Das ist grundsätzlich schwer tragisch, wenn man sein halbes Leben mit dem Spiel verbracht hat, allerdings die logische Folge der offensichtlichen Untätigkeit von Konami, das einen zudem mit einer essenziellen Frage einmal mehr alleine lässt: Warum um alles in der Welt holt man sich – zumal als Kooperationspartner von einigen großen Klubs – nicht mal Verbesserungstipps von Profi-Kickern, um diese hanebüchene Häufung an programmiertem Blödsinn wenigstens zu minimieren?

Wobei zugegebenermaßen auch das ein baldiges Ableben von efootball kaum verhindern könnte. Das Spiel ist aus!

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