Nach S-Bahn-Unglück bei München: Machte der Lokführer einen Fehler?
Am Tag nach dem Frontalzusammenstoß zweier S-Bahnen in Schäftlarn bei München mit einem Toten und 18 Verletzten laufen am Unfallort weitere Untersuchungen. Menschliches Versagen könnte offenbar die Ursache für den Zusammenstoß gewesen sein.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Dienstag vor Journalisten im Landtag, die Ermittlungen konzentrierten sich auf diese Frage. „Nach gegenwärtigem Stand gibt es keine Hinweise darauf, keine Anzeichen dafür, dass es um technisches Versagen geht.“ Im Moment möglicherweise eher im Vordergrund stehe, „dass einer der beiden Triebwagenführer, der Lokführer einen Fehler gemacht haben könnte“.
Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, konnten die Fahrtenschreiber beider Triebwagen sichergestellt werden. Mit Drohnen wurde der Unfallort südlich von München aus der Luft fotografiert – für die Ermittlungen, aber auch zur Vorbereitung der Bergung. Diese werde nicht vor Mittwoch beginnen, so ein Polizeisprecher.
Die Unfallstrecke ist nach Angaben aus Bahnkreisen mit einer elektronischen Sicherung ausgestattet. Die Technik überwache den Zugverkehr und könne Züge im Notfall automatisch bremsen. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ hat das System angeschlagen und mindestens einen Zug gebremst. Minister Herrmann sagte, auf Fernverkehrsstrecken werde schon modernere Streckenüberwachung eingesetzt, die ständig feststellt, wo sich ein Zug befindet und wie der Abstand zum nächsten Zug ist.
S-Bahn-Crash bei München: War menschlicher Fehler die Ursache?
Die S-Bahn aus München Richtung Wolfratshausen sei etwa zehn Minuten zu spät gewesen, sagte Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner. Ob es einen Zusammenhang mit dem Unfall gebe, sei völlig offen. Anwohner hatten berichtet, eine Bahn habe vergleichsweise lange am Bahnhof gestanden. Die Deutsche Bahn teilte mit, sie unterstütze die Ermittlungsarbeiten der zuständigen Behörden.
Bei dem Unfall auf der eingleisigen Strecke waren zwei mit insgesamt 95 Menschen besetzte S-Bahnen im Berufsverkehr frontal gegeneinander gestoßen. Ein 24-jähriger Fahrgast starb, und 18 Menschen wurden verletzt. Sechs Schwerverletzte seien noch in Kliniken, unter ihnen die beiden Lokführer, sagte ein Polizeisprecher. Sie seien noch nicht vernehmungsfähig. Zudem seien 25 Personen ambulant versorgt worden.
Bei München: S-Bahnen kollidieren – Fahrgast stirbt
Die beiden S-Bahnen waren am Montagnachmittag gegen 16.35 Uhr im Berufsverkehr nahe dem Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn auf einer eingleisigen Strecke kollidiert. Mehrere Zugteile beider Bahnen sprangen aus den Gleisen. Binnen kürzester Zeit lief ein Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten mit rund 680 Kräften. Das Technische Hilfswerk sei die ganze Nacht vor Ort gewesen, sagte ein Sprecher der Feuerwehreinsatzzentrale im Landkreis München am Dienstagmorgen.
Die Bahnstrecke bleibt bis auf Weiteres gesperrt, ebenso die Bundesstraße, die knapp unterhalb der Unfallstelle verläuft. Wie es hieß, muss nicht zuletzt die Statik des Bahndamms geprüft werden. Die Deutsche Bahn gab am Dienstag keine Prognose, wann die Strecke wieder freigegeben werden kann. Vorerst liefen weitere Untersuchungen. Ein Ersatzverkehr sei eingerichtet.
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. „Wir trauern als Staatsregierung und ich ganz persönlich mit den Angehörigen“, sagte er nach einer Sitzung seines Kabinetts in München. Er hoffe und bete für eine baldige Genesung der Verletzten. Söder dankte auch den rund 800 haupt- und ehrenamtlichen Helfern. Die Beteiligung vieler Freiwilliger zeige, dass Solidarität in Bayern großgeschrieben werde.
Auch der Bürgermeister von Schäftlarn, Christian Fürst (CSU), zeigte sich tief betroffen. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des Todesopfers und den Verletzten des Bahnunglücks in der Gemeinde Schäftlarn“, sagte er am Dienstag. Das schwere Unglück habe ihn sprachlos gemacht.
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Das Unglück weckt Erinnerungen: Vor sechs Jahren, am 9. Februar 2016, waren bei einem Frontalzusammenstoß zweier Züge beim bayerischen Ort Bad Aibling ebenfalls auf eingleisiger Strecke zwölf Menschen ums Leben gekommen, 89 wurden verletzt. Aufgrund menschlichen Versagens waren zwei Züge der Bayerischen Oberlandbahn ineinander geprallt. Ein Fahrdienstleiter hatte mit dem Handy gespielt und falsche Signale gesetzt. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. (dpa)
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