Angriff im Dunkeln: So können sich Frauen schützen
Marion Wessel ist Diplom-Psychologin aus Schleswig-Holstein und behandelt unter anderem Opfer von tätlichen und verbalen sexuellen Übergriffen nachts auf der Straße. Im Interview mit der MOPO erklärt sie, wie Frauen sich schützen können – und warum Angst zu haben der falsche Weg ist.
Frau Wessel, welche Frauen werden am ehesten zum Opfer von sexuellen Übergriffen nachts draußen auf der Straße?
- Deutsch (Deutschland)
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Marion Wessel ist Diplom-Psychologin aus Schleswig-Holstein und behandelt unter anderem Opfer von tätlichen und verbalen sexuellen Übergriffen nachts auf der Straße. Im Interview mit der MOPO erklärt sie, wie Frauen sich schützen können – und warum Angst zu haben der falsche Weg ist.
Frau Wessel, welche Frauen werden am ehesten zum Opfer von sexuellen Übergriffen nachts draußen auf der Straße?
Zunächst ist es wichtig, dass wir von Betroffenen statt von Opfern reden, um Stigmatisierung zu vermeiden. Typische Betroffene zu nennen, ist schwierig, denn damit eröffnet man die Schuld-Diskussion – nach dem Motto „Die Frau ist schuld, weil sie einen kurzen Rock getragen hat“.
Aber durch welches Verhalten können Frauen Übergriffe vermeiden?
Ein selbstbewusstes Auftreten steht an oberster Stelle, denn Täter suchen sich vor allem Frauen aus, die schwach oder unsicher wirken. Frauen, die besonders ängstlich sind, kann ein Selbstbehauptungstraining helfen. Vielen versagt die Stimme im Ernstfall. Deshalb ist es ein guter Tipp, das Schreien zu üben – zum Beispiel mit einer Freundin im Wald. Lautes Schreien oder eine erhobene Hand können einen potenziellen Täter abschrecken, weil er nicht damit rechnet. Körpersprache und eine selbstbewusste innere Haltung machen viel aus.
Viele Frauen tragen nachts Pfefferspray bei sich, manche sogar Waffen wie Messer.
Wenn ich das höre, bekomme ich Schnappatmung. Das mag vielleicht eine subjektive Sicherheit geben, kann aber total nach hinten losgehen, wenn der Täter es entreißt und als Waffe gegen die Betroffene selbst einsetzt. Oder wenn die Betroffene nicht weiß, wie man mit der Waffe umgeht. Ein besseres Hilfsmittel wäre da ein Taschenalarm, da dieser nicht als Waffe eingesetzt werden kann. So einen kann man sich ganz einfach im Internet bestellen und ihn zum Beispiel am Schlüsselbund befestigen.
Ist die Angst vieler Frauen denn berechtigt?
80 Prozent der sexuellen Übergriffe passieren im häuslichen Umfeld. Draußen kommt es vor allem zu verbalen Übergriffen. Hier gilt es, Alkoholisierte zu meiden und auch Bereiche, die Unbehagen auslösen. Die Angst der Frauen ist aber tatsächlich größer als die Gefahr. Die Ursache dafür liegt bereits in der Sozialisierung als Kind: Da bekommen Mädchen oft zu hören, dass sie sich ganz besonders in Acht nehmen müssen.
Welche Folgen kann es für die Betroffenen haben, wenn wirklich etwas passiert?
Traumata, Schlafstörungen, Flashbacks – viele entwickeln auch eine generalisierte Angst, so dass sie Situationen im Dunkeln vollständig meiden.
Soweit sollte man es nicht kommen lassen.
Deshalb kann ich nur an alle Frauen appellieren: Seid selbstbewusst, nutzt Apps wie „WayGuard“, telefoniert auf dem Heimweg mit Freunden und Bekannten und solidarisiert euch mit anderen Frauen, die den gleichen Heimweg haben, so dass ihr nicht alleine gehen müsst.