Teure Radwege in Hamburg: Im Winter nutzt sie keiner – wie man das ändern könnte
Gähnende Leere dort, wo erst vor ein paar Monaten die „Straße der Zukunft“ errichtet wurde: Auf den neu umgewandelten Radstreifen in der Königstraße, die Altona mit St. Pauli verbindet, ist es in den kalten Monaten sichtbar einsam geworden. Das betrifft auch viele andere sonst beliebte Fahrrad-Spots in der Stadt. Wie Hamburg im Vergleich mit anderen Städten abschneidet – und was wir von Dänemark lernen könnten.
- Deutsch (Deutschland)
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Gähnende Leere dort, wo erst vor ein paar Monaten die „Straße der Zukunft“ errichtet wurde: Auf den neu umgewandelten Radstreifen in der Königstraße, die Altona mit St. Pauli verbindet, ist es in den kalten Monaten sichtbar einsam geworden. Das betrifft auch viele andere sonst beliebte Fahrrad-Spots in der Stadt – ist das Geld schlecht angelegt worden?
Um die Stadt fahrradfreundlicher zu machen, scheut Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) weder Kosten noch Mühen. 62 Kilometer Radwege wurden im Jahr 2020 in Hamburg saniert oder neu gebaut – ein Anstieg von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch für 2021 werden ähnliche Zahlen erwartet.
Radfahren im Winter: Radwege fast unbenutzt?
Die erste Protected Bike Lane in der Hannoverschen Straße in Harburg für 2,6 Millionen Euro ist ein Beispiel dafür. Der 2,60 breite Radweg ist besonders, weil er nicht nur auf die Fahrbahn gepinselt wurde, sondern durch bauliche Trennteile von der Autospur abgrenzt wurde. Ende des Jahres folgte die zweite Protected Bike Lane an der Esplanade, eine dritte ist in Wilhelmsburg geplant.
Dazu kommen viele Pop-Up-Bikelanes, unter anderem am Schlump, in der Max-Brauer-Allee, in der Hallerstraße und in der HafenCity. Kostenpunkt: Jeweils um die 180.000 Euro. Auch vom Bund gibt’s ordentlich Geld: Bis 2023 will das Verkehrsministerium 1,4 Milliarden Euro in den Radverkehr investieren.
Hamburg: 63 Kilometer Radwege in 2020 neu gebaut oder saniert
Aber was bringt der schönste Radweg, wenn er nicht benutzt wird? „Im Winter fahren an einem Tag zehn Prozent der Bevölkerung mit dem Fahrrad, im Sommer sind es 17 bis 19 Prozent“, so steht es in der Studie „Mobilität in Deutschland“ des Bundesverkehrsministeriums. Auch in Hamburg scheint die Anzahl der Radfahrer mit den Temperaturen abzunehmen – durch den alten Elbtunnel sind derzeit jedenfalls deutlich weniger als sonst unterwegs.
Einen genaueren Vergleich könnte das Radverkehrszählnetz geben, das seit November 2020 an über 50 Dauerzählstellen die vorbeifahrenden Radler per Wärmebildkameras anonym erfasst. Aus der zuständigen Verkehrsbehörde lautet die ernüchternde Antwort allerdings, dass dazu keine Aussagen möglich seien – die Daten müssten noch ausgewertet werden. Deshalb gibt’s nur die allgemeine Antwort: „In der Regel ist grundsätzlich witterungsbedingt im Winter mit weniger Radverkehr zu rechnen.“
So viele steigen bei schlechtem Wetter vom Rad um
Klar ist, dass in den kälteren Monaten definitiv weniger Freizeit-Fahrradtouren stattfinden. Die zurückgelegten Kilometer derjenigen, die das Fahrrad für ihren Arbeitsweg nutzen, sinken laut der Studie des Verkehrsministeriums allerdings fast kaum. Nur, wenn es schneit oder regnet, bleibe das Fahrrad öfter mal stehen.
Wie oft genau, haben Verkehrsforscher der Uni Münster mithilfe der Daten aus Fahrrad-Zählstationen aus verschiedenen Städten analysiert. Für Hamburg galt dort als Anlaufpunkt allerdings nur die automatische Zählstelle an der Gurtlittinsel an der Alster.
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Im dortigen Ranking schneidet die Hansestadt mehr als schlecht ab und landet auf Platz 25 von 30. Bedeutet: Hier steigen besonderes viele Radler im Berufsverkehr bei schlechterem Wetter auf ein anderes Verkehrsmittel um. Auf Platz 1 liegt Oldenburg, dahinter folgen Münster und Göttingen – in diesen Städten fahren demnach bei Regen und Schnee fast genauso viele Menschen mit dem Rad wie bei Sonnenschein.
Radfahren im Winter: Dänemark als Vorbild
Nun sind Göttingen und Münster Studentenstädte, sodass dort potenziell weniger aufs Auto umgestiegen wird. Dazu kommt, dass Hamburg an vielen Orten in der Stadt über einen ausreichend guten ÖPNV verfügt, der im Winter für einen wärmeren und angenehmeren Arbeitsweg sorgt. Allerdings zeigt sich in der Analyse auch: Je lückenhafter die Rad-Infrastruktur, desto stärker sinkt die Zahl der Radfahrenden.
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Ein leuchtendes Vorbild ist Dänemark, ungefähr 80 Prozent der Radfahrenden fahren dort auch in den kalten Monaten mit dem Rad. Dank der mehr als ausgebauten Infrastruktur ist das Verkehrsmittel in Kopenhagen zudem inzwischen deutlicher schneller als das Auto. Setzt der Schnee ein, werden die Radwege sogar noch oft vor den Autostraßen geräumt.
Radfahren Hamburg: So kann’s auch im Winter klappen
An einer fahrradfreundlicheren Infrastruktur arbeitet die Verkehrsbehörde bereits, aber auch beim Streuen und Räumen will Hamburg nachziehen. Seit Dezember gibt es erstmalig ein zusammenhängendes Winterdienstnetz für den Radverkehr, das 315 Kilometer Radwege umfasst. Es orientiert sich an den Velorouten, sowie an den Hauptverkehrsstraßen, die häufig von Radfahrern genutzt werden. Viermal ist die Stadtreinigung dafür bis jetzt ausgerückt.
Fazit: Da wo es sichere Radwege gibt, wird auch im Winter geradelt. Hamburg versucht, diesbezüglich aufzuholen, was aufgrund der Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte allerdings eine schwierige Aufgabe ist. Die Wege müssen zudem auch im Dunkeln stets gut beleuchtet sein und morgens zeitnah von Schnee und Eis befreit werden. So können die Radwege auch das ganze Jahr über eine gute Investition sein.