Diese Hamburger Nachbarn halten fest zusammen!
Das Leben in der Großstadt gilt weitgehend als anonym. In vielen Nachbarschaften gilt: Man kennt sich vom Sehen, aber man grüßt sich nicht. Gerade für älteren Menschen bedeutet das oft, dass sie vereinsamen. Für Jüngere, dass sie keinen Halt finden. Doch es geht auch ganz anders! Die MOPO hat drei Nachbarschaften besucht, in denen die Menschen fest zusammenhalten.
Gegenseitige Hilfe und Solidarität – das hilft nicht nur gegen Einsamkeit, es sorgt auch für eine bessere Gesundheit. Das haben Studien im Auftrag der AOK Rheinland/Hamburg ergeben. Die Krankenkasse hat deshalb die Aktion „Gesunde Nachbarschaften“ gestartet, bei der Anwohnergemeinschaften für ihren Zusammenhalt mit einem Förderpreis ausgezeichnet werden. Drei Projekte haben dieses Jahr gewonnen: „Silbersack Hood Music“ auf St. Pauli,„Raus aus dem Haus“ in Neuwiedenthal und „plietsch“ in Winterhude.
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Das Leben in der Großstadt gilt weitgehend als anonym. In vielen Nachbarschaften gilt: Man kennt sich vom Sehen, aber man grüßt sich nicht. Gerade für älteren Menschen bedeutet das oft, dass sie vereinsamen. Für Jüngere, dass sie keinen Halt finden. Doch es geht auch ganz anders! Die MOPO hat drei Nachbarschaften besucht, in denen die Menschen fest zusammenhalten.
Gegenseitige Hilfe und Solidarität – das hilft nicht nur gegen Einsamkeit, es sorgt auch für eine bessere Gesundheit. Das haben Studien im Auftrag der AOK Rheinland/Hamburg ergeben. Die Krankenkasse hat deshalb die Aktion „Gesunde Nachbarschaften“ gestartet, bei der Anwohnergemeinschaften für ihren Zusammenhalt mit einem Förderpreis ausgezeichnet werden. Drei Projekte haben dieses Jahr gewonnen: „Silbersack Hood Music“ auf St. Pauli,„Raus aus dem Haus“ in Neuwiedenthal und „plietsch“ in Winterhude.
Hamburg: Kiez-Kinder produzieren eigene Rap-Songs
Huren, Hundekot und die höchste Kriminalitätsrate in ganz Hamburg: Die Straßen rund um die Reeperbahn auf St. Pauli sind nicht gerade ein Paradies für Kinder. Und doch ist das raue Kiez-Pflaster auch das Zuhause von Jungen und Mädchen aller Altersgruppen. Kleine Hosenschieter, die über den Hein-Köllisch-Platz krabbeln. Grundschüler und Jugendliche, die beim Silbersack St. Pauli, einer Kinder- und Jugendtagesstätte nahe dem Hans-Albers-Platz, anhängen.
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Vor einem Jahr startete der Gangsta-Rapper Kareem Ahmed zusammen mit seinen Geschwistern das Projekt „Silbersack Hood“ für die Kinder auf St. Pauli. Was mit einem kostenlosen Boxtraining während des ersten Corona-Lockdowns begann, ist inzwischen ein breit gefächertes Freizeitprogramm mit Angeboten im Bereich Sport, Kunst, Nachhilfe und Musik.
- Patrick Sun Gangsta-Rapper Kareem Ahmed (l.) und seine Schwester Nassy (hinten r.) holen Kiez-Kinder auf St. Pauli von der Straße. Musikproduzent Kim Korsah (vorne mit Aalyah) macht mit den Kindern Hip-Hop-Songs.
Aalyah Heller ist ein selbstbewusstes Mädchen. Die Zwölfjährige kommt vier Mal die Woche zur „Silbersack Hood“. „Ich bin gerne hier, weil es eine Gemeinschaft ist. Hier gibt es keine Vorurteile. Ich kann machen, was ich will und bekomme Hilfe, wenn ich sie brauche.“ Seit August macht Aalyah bei „Beatz mit Kimbo“ mit, das jetzt den Preis gewann. Dabei lernen Aalyah und die anderen Kinder, mit Ton-Studio-Software zu arbeiten und eigene Rap-Songs zu produzieren.
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Musikproduzent Kim Korsah alias Kimbo Beatz, der das Projekt ehrenamtlich leitet, erklärt: „Viele der Kinder hier haben wenig Selbstvertrauen. Wenn sie merken, dass sie etwas schaffen, das auch noch gut klingt, sind sie stolz.“ Die Arbeit mit den Beats, Klängen, Rhythmen und Texten stärke die Kinder spürbar. Oft kommen die Kinder auch mit Problemen zu dem 33-Jährigen und suchen seinen Rat. „Die Kinder sind in einem Alter, in dem man noch viele Weichen stellen kann. Für mich ist das ein Herzensprojekt.“
Hamburg: Senioren erobern die Spielplätze in Neuwiedenthal
Lautes Gelächter schallt über die Parkanlage Rehrstieg in Neuwiedenthal. Dort wo nachmittags die Skateboards rollen, steht eine Gruppe von Senioren und Seniorinnen mit Hoola-Hoop-Reifen. Jeden Dienstag um 10 Uhr treffen sich die Teilnehmer von „Raus aus dem Haus“ für 90 Minuten zum Sport. Egal ob die Sonne scheint, ob es regnet oder schneit. Mal wird Boccia gespielt, mal Fußballgolf. Mal wird eine Wanderung in der Heide unternommen, mal ein Klettergerüst erklommen.
„Ich will nicht im Fitnessstudio stur irgendwelche Gewicht stemmen“, sagt Jutta Feindt (72). Seit ihr Mann gestorben ist, sei sie ohnehin viel allein. Feindt sucht vor allem die Gemeinschaft der anderen Neuwiedenthaler. Meistens kommen 15 bis 18 Leute zu den Treffen des nun prämierten Projekts.
- Patrick Sun Erlebnispädagoge Martin Legge mit den Teilnehmern von „Raus aus dem Haus“
„Wir sind für alle Altersgruppen offen“, sagt Gudrun Schmücker, die seit der Gründung von „Raus aus dem Haus“ 2015 für die Organisation zuständig ist. Aufgrund der Uhrzeit seien die meisten aber eher im Renten-Alter. Der Draht zu Jugend ist dennoch kurz: Regelmäßig finden Wettbewerbe zwischen „Raus aus dem Haus“ und zum Beispiel Schülern einer nahegelegenen Grundschule statt. Dabei treten mal die Alten gegen die Jungen an, mal heißt es „Jungs gegen Mädchen“, wobei dann generationsübergreifend die Geschlechter gegeneinander antreten.
„Da entsteht eine ganz andere Verbindung zwischen den Generationen, als wenn Schüler zum Vorsingen ins Altenheim kommen“, sagt Erlebnispädagoge Martin Legge, der die von der Bürgerstiiftung geförderten Turniere zwischen Jung und Alt koordiniert und die App „Raus Süderelbe“ für den Draußen-Sport entwickelt hat. Eine App für die Senioren? Legge: „Nicht alle wissen, damit umzugehen. Aber sie lernen und es werden immer mehr!“
Projekt „plietsch“: Junge Menschen helfen Alten in Winterhude
Auch bei „plietsch“ in Winterhude geht es um Gemeinschaft und Zusammenhalt. Der Nachbarschaftsverein bringt Hilfsbedürftige mit Menschen zusammen, die gerne helfen wollen. Menschen wie Christina Schwach. Die 45-Jährige arbeitet tagsüber als Bürokauffrau und spürte irgendwann, dass sie gerne etwas Soziales machen wollte. Über die Hamburger Freiwilligenbörse stieß sie auf „plietsch“. „Ich wollte gerne ältere Menschen unterstützen“, sagt Schwach, die sich selbst als ruhige und empathische Person beschreibt, die gerne zuhört.
- plietsch/hfr Jung hilft alt: Ehrenamtliche des Projekts „plietsch“ wie Christina Schwach (l., 45), Birgit Feilcke und Anne Bester helfen älteren Menschen wie Ingrid Horst.
Christina Schwach kauft für verschiedene Frauen in ihrem Stadtteil ein, begleitet sie bei Spaziergängen oder kommt einfach zum Tee. Ziel von „plietsch“ ist es, den alten Leuten ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen und den Umzug ins Alten- oder Pflegeheim zu vermeiden. „So bleiben sie in ihrer vertrauten Umgebung. Wenn wir rausgehen, kommen wir durch die Straßen, in denen ich auch lebe. Das gibt viel Gesprächsstoff“, erzählt Schwach. Aber auch mit der Alten- und Pflegeeinrichtung Epiphanienhaus gibt es eine Kooperation. „Viele Menschen sind sehr einsam“, berichtet Christina Schwach. Jeder Besuch sorge für Freude. „Man bekommt viel Dankbarkeit zurück.“
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Für das Netzwerk Nachbarschaft, die die Förderpreise in Kooperation mit der AOK Rheinland/Hamburg verliehen hat, ist klar: „Die ausgezeichneten Initiativen zeigen: Es lohnt sich, selbst aktiv im Wohnumfeld zu werden und zu gestalten. Ihr Motto: ,Wenn wir es nicht was bewegen, macht es kein anderer’“, so Sprecherin Karin Banduhn.