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Eine Mitarbeiterin der Pflege steht in einem Patientenzimmer der Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Essen.
  • Eine Mitarbeiterin der Pflege steht in einem Patientenzimmer der Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Essen.
  • Foto: dpa

Corona-Winter: Wie halten wir das Desaster noch auf?

Noch mal 100.000 Corona-Tote in Deutschland – das erwartet der Virologe Christian Drosten, sollten sich nicht mehr Menschen impfen lassen. Und das sei noch konservativ gerechnet, sagte er im NDR-Corona-Podcast. Bei den Neuinfektionen jagt derzeit ein Höchststand den nächsten, die Inzidenz ist mit 232,1 so hoch wie noch nie zuvor (Stand: 10.11.). In den Kliniken wird es immer voller, auch die Todeszahlen steigen rasant. Von einer „echten Notfallsituation“, spricht Drosten, „wir müssen jetzt sofort etwas machen.“ Doch was kann den desaströsen Corona-Winter überhaupt noch aufhalten?

Bundesweites 2G

„Wir brauchen entweder einen Lockdown oder eine 2G-Regel – und einen Lockdown wird es nicht mehr geben“, glaubt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Deshalb sieht er das 2G-Modell, nach dem nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt etwa in Restaurants oder zu Veranstaltungen haben, als eine der beiden Schlüssel in der vierten Welle. Er rate jeder Landesregierung zur Einführung von 2G, „in allen Bereichen außer in der Grundversorgung“, sagte er dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Auch der Linksfraktionschef Dietmar Bartsch fordert ein bundesweites 2G. „Lockdown für alle oder Einschränkungen für Ungeimpfte? Das wird die entscheidende Frage dieses Corona-Winters, vor der sich die Ampel nicht wegducken darf“, sagte er. Die voraussichtliche Ampel-Koalition will die Entscheidung über 2G aber den Bundesländern überlassen.

Testen, testen, testen

Weil sich auch Geimpfte und Genese mit dem Virus infizieren können, fordern einige Experten eine sogenannte 2G-plus-Regel, nach der auch sie sich testen müssen. „Es ist dringend nötig, dass wir vom Entspannungsmodus in den Ernsthaftigkeitsmodus zurückkehren, leider auch alle Geimpften“, sagte etwa der Epidemiologe Hajo Zeeb. Zudem fordert er eine Testpflicht bei der Arbeit und in Schulen. Auch die Ampel setzt auf Tests: Sie will die Testpflicht in Pflegeeinrichtungen verschärfen. Ab kommender Woche sollen Tests zudem wieder gratis angeboten werden. Drosten ist aber skeptisch: Als „Notbremse“ funktionieren die Tests nicht, meint er.  


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Doch eine Impfpflicht?

Für Drosten ist klar: „Wir müssen die Impflücke schließen.“ Neben der Ausweitung von niedrigschwelligen Angeboten und besserer Ansprache von Ungeimpften, wird auch immer häufiger eine Impfpflicht diskutiert – dabei galt sie in der Politik lange als keine Option. Nun sollte sie für bestimmter Berufsgruppen, wie Pflegepersonal, Lehrkräfte und andere mit viel Kontakt zu Menschen, eingeführt werden, finden etwa die Wissenschaftler der Forschungsakademie Leopoldina. Zudem befürworten sie eine Offenlegung des Impfstatus. Eine solche Auskunftspflicht ist umstritten und aktuell wegen des Datenschutzes verboten. Die FDP stellt sich hingegen gegen eine Impflicht. Auch andere Stimmen warnen vor einer weiteren Radikalisierung von Impfgegnern durch einen solchen Zwang.

Virologe Christian Drosten. dpa
Virologe Christian Drosten.
Virologe Christian Drosten.

Booster-Impfungen

Geimpfte sollten ihren Schutz nach rund sechs Monaten erneuern, betonen Mediziner. Doch viele Experten sind sich auch einig: Das Boostern geht viel zu langsam. Derzeit werden rund 0,2 Prozent der Bevölkerung am Tag geimpft – bei diesem Tempo dauere es Monate, bis wie in Israel die Hälfte der Menschen dreifach geimpft sind, kritisiert etwa die Physikerin Viola Priesemann. Dabei glaubt sie, dass ein zügiges Impfen und Boostern die aktuelle Welle „mit großer Sicherheit“ brechen würde. Um Tempo zu machen, sollten Experten zufolge Impfzentren wiedereröffnet und mehr mobile Impfteams eingesetzt werden.

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Doch wieder Shutdown?

Bis aber alle geimpft sind, reichen laut Drosten die 2G- und 3G-Regeln nicht aus, um Delta aufzuhalten. Die Kontakte könnten sich mehr in den privaten Bereich verschieben, mahnt er – das Virus komme dann einfach „nach Hause“. Daher hält er Kontaktbeschränkungen für nötig. Christian Linder (FDP) und seine Ampel-Kollegen schließen einen neuen Lockdown zwar aus, und auch Drosten sieht die juristische Schwierigkeit von allgemeinen Kontaktbeschränkungen. Trotzdem erwarte er einen Winter mit neuen, „sagen wir ruhig: Shutdown-Maßnahmen.“

Verstärkte Maskenpflicht

Für Karl Lauterbach ist dagegen neben 2G eine strikte Maskenpflicht in Schulen in allen Altersstufen der zweite wichtige Baustein, um die vierte Welle zu brechen. Virologin Sandra Ciesek empfiehlt zudem eine FFP2-Maskenpflicht im Nahverkehr ab einer bestimmten Inzidenz, Zeeb fordert eine Maskenpflicht in Innenräumen – auch beim 2G-Modell, bei dem sie nach aktuellem Stand auch in vielen Fällen aufgehoben werden kann.

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Ein Ziel definieren

Priesemann hält jetzt aber vor allem eines für entscheidend: Alle Politiker und Politikerinnen sollten das Ziel ihrer Strategie klar kommunizieren – und die Maßnahmen entsprechend darauf einstellen. „Ist das Ziel nicht definiert, dann verpuffen einige der Maßnahmen“, sagt sie.

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