Lost Place: Die Bahn-Linie, die im Feuersturm unterging
Die unscheinbare Klappe befindet sich am Besenbinderhof direkt vor der Generali-Versicherung. Hochbahn-Ingenieur Jens Brünig (54) öffnet sie und ermöglicht so der MOPO exklusiv den Abstieg zu den Spuren einer U-Bahnlinie, die 1943 beim Feuersturm unterging.
Senkrecht geht es mit einer Leiter nach unten. Dann stehen wir in einem alten 150 Meter langen U-Bahn-Tunnel. Die Gleise sind entfernt, doch die alten Stahlstützen stehen noch. Ein graues Wählscheibentelefon befindet sich an der Wand. Um zu verstehen, was sich hier einmal abgespielt hat, müssen wir zurückgehen ins Jahr 1915.
Lost Place: Die Klappe zum U-Bahn-Tunnel
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Die unscheinbare Klappe befindet sich am Besenbinderhof direkt vor der Generali-Versicherung. Hochbahn-Ingenieur Jens Brünig (54) öffnet sie und ermöglicht so der MOPO exklusiv den Abstieg zu den Spuren einer U-Bahnlinie, die 1943 beim Feuersturm unterging.
Senkrecht geht es mit einer Leiter nach unten. Dann stehen wir in einem alten 150 Meter langen U-Bahn-Tunnel. Die Gleise sind entfernt, doch die alten Stahlstützen stehen noch. Ein graues Wählscheibentelefon befindet sich an der Wand. Um zu verstehen, was sich hier einmal abgespielt hat, müssen wir zurückgehen ins Jahr 1915.
Lost Place: Die Klappe zum U-Bahn-Tunnel
Am 27. Juli wurde mitten im Ersten Weltkrieg die U-Bahn-Linie zwischen Hauptbahnhof und Rothenburgsort eingeweiht. Die Strecke war genau 3,2 Kilometer lang, kam an der Norderstraße aus dem Tunnel und verlief dann überirdisch auf einem Viadukt. Dieser überspannte die Gleise der Fernbahn. Es gab die Stationen Spaldingstraße, Süderstraße und Billstraße, wo der Viadukt aus Eisen endete. Es folgte ein Damm, auf dem heute noch die S-Bahn nach Bergedorf fährt. Die letzte Station der U-Bahn-Linie war dann in Rothenburgsort.
Trotz eines Zehn-Minuten-Taktes erreichte die neue Linie in den 1920er Jahren nicht die erwarteten Fahrgastzahlen. Das verwundert, war damals doch Rothenburgsort stark besiedelt. Hier lebten allein tausende Hafenarbeiter. Doch viele benutzten lieber weiter die Straßenbahn. Schon zwei Jahre nach der Eröffnung wurde eine Verlängerung der Strecke bis ins Industriegebiet nach Billbrook geplant. Wegen des Ersten Weltkriegs kam es nie dazu.
Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (l.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „ Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
Am 27. Juli 1943, auf den Tag genau 28 Jahre nach der Einweihung der U-Bahn-Linie nach Rothenburgsort, folgte das Ende. Der Hochbahn-Viadukt wurde von Bomben getroffen und fast vollständig zerstört. Rothenburgsort als Wohnviertel gab es nicht mehr. Zehntausende Bewohner waren umgekommen.
Das könnte Sie auch interessieren: Lost Place in Hamburg: Die mysteriöse Geister-Fabrik mitten in der Stadt
Auf der Strecke fuhr nie wieder ein Zug. Es ist bis heute die einzige U-Bahn-Strecke Deutschlands, deren Betrieb für immer eingestellt und bei der die Anlagen abgebaut wurden. Das dauerte bis 1951. Die Hochbahn war nach 1945 vorrangig damit beschäftigt, die vorhandenen Linien wieder zu betreiben.
- Florian Quandt Dieses graue Wählscheiben- telefon verstaubt in dem stillgelegten U-Bahn-Tunnel.
- Florian Quandt Hochbahn-Ingenieur Jens Brünig (l.) öffnet zusammen mit dem MOPO-Reporter den Zugang zum Tunnel.
- Florian Quandt Versicherungs-Mitarbeiter haben im Tunnel offenbar Dart gespielt.
Der Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Norderstraße wurde zunächst noch als Lebensmittellager genutzt und dann zugemauert. Da er sich unmittelbar am Gebäude der früheren Volksfürsorge-Versicherung befand und es dort eine Verbindung in den Keller des Gebäudes gab, nutzte die heutige Generali-Versicherung den Tunnel bis 2005 als Aktenlager. Seitdem steht der Raum leer.