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Henrique de Gouveia e Melo bei einer Pressekonferenz im April.
  • Henrique de Gouveia e Melo bei einer Pressekonferenz im April.
  • Foto: imago/GlobalImagens

Krasser Militär-Drill: Wie dieses EU-Land Herdenimmunität erreicht hat

Davon kann Deutschland nur träumen: In Portugal sind fast 86 Prozent der Bevölkerung schon vollständig geimpft, unter den über Zwölfjährigen sind es sogar schon 98 Prozent. Damit liegt das Land mit an der Weltspitze – und das ganz ohne Zwang. Der Grund für den Erfolg? Eine Impfkampagne mit militärischem Anstrich.

Mittlerweile wird er sogar auf der Straße angehalten, weil ihm Leute danken wollen: Henrique Gouveia e Melo ist in Portugal der Mann der Stunde. Als das Zehn-Millionen-Einwohner-Land im Februar von einer heftigen Corona-Welle erschüttert wurde und der Vorgänger im Amt nach nur drei Monaten hinschmiss, übernahm der Vize-Admiral die Leitung der landesweiten Impfkampagne. Acht Monate später sind in Portugal rund 20 Prozentpunkte mehr Menschen komplett geimpft als in Deutschland – und das Land steht kurz vor einer Herdenimmunität.

Hauptsache effizient: Vize-Admiral testet Impf-System mit Soldaten

Gouveia e Melo ist mehr als 1,90 Meter groß, seit 42 Jahren beim Militär und kommandiert sonst U-Boote. Mit militärischem Drill packte er auch die Impfkampagne an: Konsequent trat er in Uniform oder Tarnanzug auf und schwor die Bevölkerung mit Kriegsmetaphern auf den Impf-Kurs ein. Vor allem aber baute er auf großen Sportplätzen Impfstraßen auf, in denen Menschen „wie am Fließband“ gepikst wurden. Die effizienteste Art dafür tüftelte er vorher mit Soldaten in einem Armeekrankenhaus aus.


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Dabei spielte ihm in die Hände, dass die Impfbereitschaft in Portugal ohnehin hoch ist: Auch gegen Masern, Röteln und Mumps sind 95 Prozent der Bevölkerung geimpft, harte Impfgegner gibt es nur wenige. Doch auch hier gab es Skepsis gegenüber den Corona-Vakzinen.

Der Impferfolg Portugals verlangt sogar SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach Respekt ab.

Um die Portugiesen von der Sicherheit der Impfstoffe zu überzeugen, stellte sich Gouveia e Melo öffentlichkeitswirksam stetig selbst den Fragen von Bürgern. Hier sei es von Vorteil gewesen, dass er nicht zum politischen Establishment gehört, glaubt er. Auf die Frage, wie andere Länder ihre Impfkampagne ankurbeln könnten, hat er somit auch eine klare Antwort: „Sie müssen Menschen finden, die keine Politiker sind“, zitiert ihn die „New York Times“.

Impfbereitschaft in Portugal: Heftige Corona-Welle hat Angst geschürt

Doch an dem militärischen Gehabe es gibt auch Kritik: „Die Art, wie er sich immer in Tarnanzug präsentierte – so als ob er im Krieg wäre – hat mit der Sprache in den Medien und von Politikern zu einem Gefühl der Angst beigetragen“, zitiert die „New York Times“ die Psychologin und Impfkampagnen-Kritikerin Laura Sanches.

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Auch der Epidemiologe Pedro Simas glaubt in der „FAZ“, dass Angst ein entscheidender Faktor für die hohe Impfbereitschaft im Urlaubsland ist – Grund dafür ist seiner Ansicht nach aber die katastrophale Corona-Welle im Januar und Februar, die das Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses brachte. Allein in der letzten Januarwoche starben fast 2000 Menschen an Covid-19. Diese Erfahrungen haben Spuren hinterlassen – und seitdem seien Corona-Regeln wie Abstandsgebote und Maskenpflicht vorbildlich eingehalten worden, so Simas.

Auch sonst könnte laut der „FAZ“ ein hohes Verantwortungsgefühl helfen – besonders bei jungen Leuten. Denn Portugiesen leben länger bei ihren Eltern als Deutsche und wollen ihre Angehörigen nicht gefährden.

Corona in Portugal: Fast alle Corona-Beschränkungen gefallen

Nun heißt es jedenfalls erstmal Aufatmen: Am Freitag wurden fast alle Corona-Regeln aufgehoben, bis Ende Dezember sollen Altere und Risikopatienten eine Booster-Impfung bekommen. Gouveia e Melo ist wegen möglicher Virus-Varianten aber auf der Hut: „Wir haben eine Schlacht gewonnen“, sagte der Nachrichtenagentur AP. „Ich weiß nicht, ob wir den Krieg gegen das Virus schon gewonnen haben. Es ist ein Weltkrieg.“

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