SPD-Wahlparty: Erst beten, dann jubeln
Drei! Zwei! Eins! Die letzten Sekunden bis 18 Uhr zählen die rund 300 Gäste der SPD-Wahlparty im Mojo-Club unter dem Spielbudenplatz runter, dann bricht Jubel aus. Die Menge springt kollektiv in die Höhe, reißt die Arme hoch, rhythmisches Klatschen steigt in Richtung der Discolichter: 25 Prozent für die SPD! Stärkste Kraft, wer hätte das der alten Tante noch immer Sommer zugetraut?
„Olaf wird Kanzler!“, ruft einer. Es bleibt bei diesem einen Ausbruch des ungebremsten Optimismus, denn: Nach der ersten Euphorie macht sich Realismus breit unter den SPD-Fans. Klar ist: Nichts ist klar. Mit 25 Prozent zieht keiner automatisch ins Kanzleramt ein. „Kommt jetzt auf die Grünen an“, stellt Partygast Jens-Uwe Adler nüchtern fest und klingt dabei wie ein Echo von Sozialsenatorin Melanie Leonhard: „Es kommt jetzt darauf an, wie viel Progressivität die Grünen wollen“, sagt sie im Gespräch mit der MOPO. „Wir machen denen natürlich ein Angebot.“

Die Ampel, sagt Leonhard, wäre ihre liebste Koalition, SPD, Grüne und FDP: „Wir werden ja sehen, wie ernst es der FDP mit der Bereitschaft, zu regieren ist.“ Die Senatorin vertritt die lokale SPD-Prominenz: Bürgermeister Peter Tschentscher ist in Berlin.
Wahlparty der Hamburger SPD auf dem Kiez
Auch Behcet Algan, Friseur aus Ottensen, Altonas SPD-Urgestein und wahrscheinlich Olf Scholz‘ größter Fan, hat ein paar Prozentpunkte mehr erhofft, extra noch ein Stoßgebet gen Himmel geschickt: „Wenn Olaf 28 Prozent holt, schmeiß ich meine Krawatte in die Luft.“ Der Binder fliegt dann auch bei 25 Prozent in die Höhe, Algan freut sich temperamentvoll und von Herzen.

Die Ampel bevorzugen viele der Partygäste, wenn es für Rot-Grün nun mal nicht reicht. Ein Dreierbündnis an der Regierung, das wird kein Spaziergang für Olaf Scholz, das ist hier jedem klar. Wahl gewinnen, Kanzler stellen und fertig, diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.

Einen „historischen Moment“ hatte Familie Loss sich erhofft, einen Richtungswechsel, darum sind die Eltern Claudia (48) und Björn (51) mit den Töchtern Inola (22) und Oona (17) in den Club gekommen. So richtig historisch sind 25 Prozent dann aber doch nicht. Vater Björn ist nicht enttäuscht, hat er doch schon vorher prognostiziert, dass es knapp werden könnte. Seine Befürchtung: „Neuwahlen im März oder April, weil sie keine Regierung zusammenbekommen.“

An der Bar sitzt ein Mann mit Hut und Fischerhemd: Heinz Engwicht (77) vom Hamburger Hummelclub. Kürzlich hat er Olaf Scholz noch in Potsdam gesehen. Dass der nächste Kanzler aus Hamburg käme, wäre schön, aber der Mann im Hummeldress gibt sich hanseatisch unaufgeregt: „Glaub nicht, dass es heute eine Entscheidung gibt.“
Jubel bei der SPD-Party im Mojo-Club in Hamburg
Dennoch: Die Stimmung ist gelöst unter den Menschen, die dicht an dicht auf der Tanzfläche des Clubs stehen, unter rotem Licht, die meisten ohne Maske (es gilt 2G), die Augen auf die große Leinwand auf der Bühne gerichtet. 37 Prozent hat Manuela Schwesig bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern geholt, das tut der Sozi-Seele gut – und mit jeder neuen Prognose steigt die Stimmung. Die CDU im Bund unter 20 Prozent! Applaus. Trockener Kommentar eines Gastes: „Hätten die den Söder aufgestellt, hätten wir ein Problem gehabt.“
Dank also an die CDU für die unglückliche Kandidatenwahl – und trotzdem: Es war ein harter Weg. „Wir sind im Sommer bei 13 Prozent gestartet“, sagt Melanie Leonhard auf der Bühne. „Ihr könnt stolz auf euch sein!“ Dann erscheint Olaf Scholz auf der Leinwand, spricht von dem Auftrag der Wähler und Wählerinnen. Und die Menschen auf der Tanzfläche jubeln. Auch wenn noch gar nichts klar ist.
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