„So kann es nicht weitergehen“: Bei St. Pauli gehen die Lichter aus
Es war so schlimm, dass in den letzten Sekunden sogar die TV-Übertragung des Spiels im Medienraum des Stadions abbrach. „Stream not found“ stand da auf den Bildschirmen zu lesen, und bei der Pressekonferenz kurz darauf gingen dann für knapp eine Minute auch noch alle Lichter aus. „So fühle ich mich gerade“, stöhnte Coach Alexander Blessin in diesem Moment. Mit 0:4 (0:2) war der Kiezklub zuvor im Krisen-Duell mit Borussia Mönchengladbach untergegangen, statt der erhofften Wende nach dem erfolgreichen Pokal-Drama unter der Woche gegen Hoffenheim zeigten die Kiezkicker am mit 29.546 Fans ausverkauften Millerntor einen höchst alarmierenden Vortrag, kassierten die sechste Liga-Pleite in Folge – und die höchste seit dem 1:8 gegen die Bayern anno 2011.
Und das gegen einen Kontrahenten, der saisonübergreifend 15 Partien nicht gewonnen hatte und letztmals am 3. Mai (!) beim 4:4 gegen Hoffenheim in Führung gelegen hatte. Das einzige, was nicht passieren durfte, war entsprechend ein Rückstand, ein früher vor allem, einer nach individuellem Fehler, eines dieser vermeidbaren Gegentore. Doch genauso kam es. Ohne große Not passte Nikola Vasilj die Kugel im Aufbau in die Füße von Florian Neuhaus, der Haris Tabakovic anspielte, der den Ball nur noch ins verwaiste Gehäuse bugsieren musste (15.).
Individuelle Fehler vor allen St. Pauli-Gegentoren
Schuldzuweisungen gab es nach dem Abpfiff keine, zumal im Lauf der Partie noch etliche andere St. Paulianer gravierend bei Gegentreffern patzen sollten. „Wir stecken da zusammen drin“, sagte Karol Mets. „Jeder ist dafür verantwortlich, sein Bestes zu geben, und ich bin sicher, jeder versucht, sein Bestes zu geben. Im Moment läuft es allerdings nicht so, wie wir es wollen.“
Kann man widerspruchslos so festhalten. Vorm 0:2, wieder durch Tabakovic (40.), konnten sich zwei Gladbacher auf der linken Seite ohne große Störung den Ball zuschieben, ohne dass einer der drei anwesenden Hamburger eingegriffen hätte. Dass der Torschütze beim Vollstrecken auch niemanden um sich herum hatte, darf ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Keiner lief mit, keiner rückte ein, eine kollektive Nicht-Verteidigung.
St. Paulis Kompaktheit wie weggeblasen
„Wir haben immer wieder über billige Gegentore gesprochen, die haben natürlich ihr übriges getan“, stöhnte Alexander Blessin. Das größte Problem aber hatte er woanders ausgemacht. „Wir hatten verschiedene Denkweisen, was Kompaktheit angeht, wann wir pressen, wann wir rausschieben. Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen, der Gegner hat zu viel Platz bekommen.“

Nach dem Seitenwechsel sogar noch mehr. Blessin tauschte seine komplette offensive Dreierkette aus, stellte hinten auf Viererkette um und zog Eric Smith vor ins Mittelfeld. Doch statt des erhofften Drucks entstand eher das Gefühl, dass die Gäste das dritte Ding nachlegen, als dass Braun-Weiß zum Anschluss kommen könnte. Und so kam es dann auch, wenngleich spät. Shuto Machino (75.) und Oscar Fraulo (80.) machten den „Nackenschlag“ (Blessin) zum Debakel.
„Es ist hart und bitter“, schloss Blessin. „Ich habe eigentlich gedacht, nach dem Pokalspiel wären wir auf einem guten Weg.“ Auch er werde sich hinterfragen, das Spiel müsse in aller Deutlichkeit analysiert werden. „Aber so kann es in unserer Situation nicht weitergehen.“ Das sah Abwehr-Routinier Hauke Wahl nicht viel anders und appellierte ans Mindset der Mannschaft. „Wir haben gedacht, dass wir schon weiter sind, dass wir wieder über Details reden können“, gestand er. „Aber wenn man das Spiel gesehen hat, muss man wieder über die Basics reden.“
Das könnte Sie auch interessieren: Mangelhaft in allen Belangen: Die Noten zur Klatsche gegen Gladbach
Nach der sechsten Liga-Niederlage in Folge hat St. Pauli nur noch einen Punkt Vorsprung auf den bisherigen Tabellenletzten Mönchengladbach, der auf den Relegationsplatz sprang. Die letzten beiden Plätze belegen nun Mainz nach einem 1:1 gegen Bremen und Heidenheim nach einem 1:1 gegen Frankfurt.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.