Sexualisierte Gewalt: In Frankreich gilt „Nur Ja heißt Ja“ – was ist mit Deutschland?
Sei es abends der Weg nach Hause, mit dem Schlüssel in der Hand und dem Blick über die Schulter nach jedem dritten Schritt. Ungefragte Berührungen, Gepfeife und Sprüche auf offener Straße. Oder die Angst vor dem Partner oder Vater oder Onkel – wenn die eigenen vier Wände plötzlich zum gefährlichsten Ort werden. Viele Frauen kennen solche Situationen. Zu viele. Doch Deutschland tut zu wenig gegen sexualisierte Gewalt.
Die erfassten Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9,3 Prozent gestiegen. 13.300 Fälle, zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik. Und laut der Dunkelfeldstudie wird nur etwa ein Prozent der Sexualdelikte angezeigt. Es ist alarmierend.
Frankreich verschärft seine Sexualstrafverfahren mit dem neuen „Ja heißt Ja“-Gesetz. Als Vergewaltigung wird demnach jede sexuelle Handlung ohne eine ausdrückliche Zustimmung des anderen Menschen definiert. Heißt: Eine explizite Zustimmung des Gegenübers ist jetzt erforderlich.
Diese Gesetzesreform ändert nicht nur, wie eine Vergewaltigung definiert wird. Sie räumt auch rechtliche Schwachstellen aus dem Weg – nachweislich. Endlich!
Deutsches „Nein heißt Nein“-Gesetz: Willkommen in der Steinzeit
Deutschland hat sein „Nein heißt Nein“-Gesetz schon seit fast zehn Jahren. Es besagt, dass alle sexuellen Handlungen als Vergewaltigung strafbar sind, die gegen „den erkennbaren Willen einer anderen Person“ vollzogen werden. Also nur ein „Nein“ heißt „Nein“.
Es ist beschämend. Schließlich können Opfer in solch traumatischen Situationen nicht immer „Nein“ sagen. Sie verfallen oft in eine Schockstarre. Sie haben Angst um ihr Leben. Und als wäre das nicht schon genug, nutzen viele Täter diese Schockstarre und verdrehen sie vor Gericht oft zur „Passivität“.
Altes Denken im deutschen Rechtssystem
Viele Opfer würden deswegen durch das Rechtssystem fallen, beschreibt der Deutsche Juristinnenverband. Ein altes Denken steckt dahinter: der „aktive, dominante Mann“ und die „passive, zierliche Frau“.
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Das schlaffe Sexualstrafrecht der Bundesrepublik ist nicht nur völlig veraltet, sondern auch voller Klischees. Es gibt Widersprüche und Schutzlücken für Opfer, schreibt der Deutsche Juristinnenverband ebenfalls.
Sexualisierte Gewalt: Zeit, aufzuwachen – schon seit gestern!
Ich als junge Frau frage mich, wie all das sein kann. Die Zahlen sind so deutlich, die Nachbarn zeigen, wie es besser geht, die Istanbul-Konvention trat zum Schutz der Frauen vor Jahren in Kraft – und wurde nicht umgesetzt. Deutschland, wo bleibst du?
So schwer ist es auch nicht zu verstehen: Wenn ein „Nein“ nicht deutlich ist, heißt es nicht, dass daraus ein „Ja“ wird. Schließlich ist Passivität doch die Entscheidung, kein Einverständnis zu zeigen! Es wird allerhöchste Zeit für das „Ja heißt Ja“-Gesetz. Für mich, für meine Schwestern, meine Freundinnen, zum Schutz aller Frauen vor sexualisierter Gewalt. Es ist längst Zeit.
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