„Das ist die einzige Chance“: Lässt sich der HSV nicht mehr erschüttern?
Im Fußball spricht man gerne von „psychologisch ungünstigen Momenten“. Wenn etwas dran ist an diesem Phänomen, dann erlebte der HSV am Samstag gleich zwei davon: einmal direkt vor der Pause, als Christoph Baumgartner die Hamburger mit dem 1:0 um den Lohn für ihre gute erste Hälfte brachte (45.). Und das zweite Mal, als der Österreicher nur zwei Minuten nach dem 1:1 von Albert Sambi Lokonga (48.) die erneute Leipziger Führung besorgte (50.). Die Mannschaft von Merlin Polzin lag gegen ein Team, das jahrelang ein Champions-League-Dauergast war und als sehr reif gilt, plötzlich zweimal zurück. Sie ließ sich aber nicht erschüttern.
Es war auch diese Erkenntnis, wegen der Polzin trotz der 1:2-Pleite stolz auf seine Profis war. Dass der HSV nach Rückschlägen jeweils so zurückgekommen war, registrierte der HSV-Trainer mit Freude: „Es bestätigt uns und mich darin, für welche Art und Weise wir stehen wollen.“ Und die besagt: immer weitermachen, auch nach Gegentoren, die wie in Leipzig mehr oder weniger aus dem Nichts kommen. Schon das 0:1 warf den HSV nicht aus der Bahn.
HSV steckte bei RB Leipzig gleich zwei Rückschläge weg
„Wir haben 45 Minuten lang sehr viel wegverteidigt und gemerkt: Heute ist vielleicht mehr drin als der eine oder andere erwartet hat“, ließ Polzin den ersten Durchgang Revue passieren. Der 34-Jährige war nicht nur zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft vor dem Seitenwechsel, sondern auch mit der „inhaltlich guten Halbzeitpause“ in den Katakomben. Der HSV sammelte sich, die Trainer nahmen kleinere Korrekturen vor, die Spieler brachten sich mit eigenen Impulsen und Ideen ein. „Das ist nicht selbstverständlich“, befand Polzin. Das 1:1 war dann die Belohnung.

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Ein Fehler von Nicolás Capaldo führte zwar dazu, dass die Kurzzeit-Euphorie, die sich auch bei den 10.000 HSV-Fans breitgemacht hatte, schnell wieder verflog: Baumgartner erzielte nach einem Doppelpass das zweite Tor für RB. „Aber die Reaktion, auch nach dem 1:2 die Klarheit zu haben und nicht den Kopf zu verlieren, sondern weiter auf unsere Art und Weise Fußball zu spielen, spricht für sich“, analysierte Polzin. Der Coach erkannte trotz des erneuten Rückschlags eine „Dynamik“, die der HSV entwickelt habe. Zudem viele „Rotationsbewegungen“, um bei Leipzig für Unordnung zu sorgen. Und Polzin lobte „diesen Mut“, den seine Profis gegen „eine absolute Spitzenmannschaft“ gezeigt hätten. „Leipzig hat ganz andere Ansprüche in dieser Saison“, wusste er. „Deshalb spricht das Spiel für uns.“
Kapitän Poulsen: „Das ist als Aufsteiger nicht normal“
Die mentale Stärke war neben taktischen Fortschritten ein weiterer Erkenntnisgewinn, den der HSV zurück mit in den Norden nahm. Dass der HSV sich durch den zweimaligen Rückstand nicht erschüttern ließ, noch dazu bei einem Topteam der Bundesliga, dient als Beleg dafür, dass sich intern eine neue Einheit gebildet hat. Nachdem die Aufstiegsgruppe im Sommer teilweise auseinandergefallen war, zog sich die Hierarchiefrage hinein bis in die ersten Saisonwochen. Inzwischen hat aber auch Yussuf Poulsen erkannt: „Wir sind ein Team, das sich sehr gut versteht.“
Der HSV-Kapitän zeigt sich beeindruckt vom Voranschreiten des Prozesses: „Es war klar, dass die Entwicklung Zeit braucht. Aber wie wir über 90 Minuten auf dem gleichen Niveau wie Leipzig gespielt haben – das ist als Aufsteiger nicht normal. Das ist schon ein sehr, sehr, sehr starkes Zeichen uns selbst gegenüber und für das Selbstvertrauen.“
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Dass der HSV trotz der Pleite positiv gestimmt bleiben kann, führt der Trainer auch auf die Geschlossenheit zurück. „Ich sehe tagtäglich, wie unser Verein und wir alle gemeinsam in eine Richtung gehen“, erklärte Polzin und mahnte zugleich: „Das ist aber auch die einzige Chance, die wir haben, den HSV langfristig in der Bundesliga zu halten.“
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