Tanja Chawla

Tanja Chawla, DGB-Vorsitzende in Hamburg (Archivfoto) Foto: picture alliance/dpa/Markus Scholz

Armutsgipfel 2025: Was Gewerkschaften und Sozialverbände in Hamburg fordern

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In Hamburg nimmt die Armut weiter zu – und mit ihr die Sorgen der Menschen. Mehr als 150 Akteure der Stadtgesellschaft haben sich jetzt zu einem Armutsgipfel getroffen. Gemeinsam forderten sie eine konsequentere Sozial- und Wohnungspolitik, um den sozialen Absturz vieler Menschen zu verhindern.

Eingeladen hatten der Sozialverband Deutschland (SoVD), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Mieterverein zu Hamburg. Armut ist in Hamburg längst kein Randphänomen mehr – darüber herrscht unter den großen Sozialverbänden Einigkeit. Rund 20 Prozent der Hamburger:innen gelten als armutsgefährdet. Das bedeutet: Wer als Einpersonenhaushalt weniger als 1329 Euro netto im Monat zur Verfügung hat, lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Wohnen – der größte Armutsfaktor in Hamburg

Ein zentrales Problem bleibt der angespannte Wohnungsmarkt. Die meisten Hamburger:innen wohnen zur Miete – und viele zahlen sich dabei arm. Im Durchschnitt müssen armutsgefährdete Haushalte mehr als 40 Prozent ihres Einkommens allein für die Miete aufbringen.

„Das darf so nicht weitergehen“, sagte Klaus Wicher, Landesvorsitzender des SoVD. Er drängte darauf, dass mindestens 5000 geförderte Neubauwohnungen pro Jahr geschaffen werden müssen, da sich die Notlage sonst nicht ändern werde.

Auch Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg warnte: „Die Mietpreisbremse reicht längst nicht mehr aus. Wohnen ist zu einer sozialen Frage geworden. Sozialpolitik und Wohnungspolitik müssen Hand in Hand gehen.“ Seine Einschätzung: „Inzwischen ist Wohnen etwas, wo Kapital geparkt wird – nicht mehr, wo Menschen leben.“

DGB: „Armut ist ein gewerkschaftliches Thema“

Armut betrifft nicht nur Menschen ohne Job. Auch viele Erwerbstätige, Alleinerziehende und Rentner:innen geraten zunehmend unter Druck. „Armut ist ein gewerkschaftliches Thema“, sagte Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB Hamburg. „Viele Menschen arbeiten in ausbeuterischen Verhältnissen, verdienen zu wenig oder müssen trotz Job aufstockende Leistungen beziehen. Eine flächendeckende Tarifbindung ist elementar – aber in Hamburg haben nur 46 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag.“

Chawla machte deutlich: „Armut ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem. In der Politik wird leider oft nach unten getreten, statt Verantwortung zu übernehmen.“

Zwischen Stromkosten und Zukunftssorgen

Der SoVD warnte zudem vor weiteren finanziellen Belastungen: „Die Preise für Strom und Gas sind schon jetzt hoch – und das wird sich nicht so schnell ändern“, so Wicher. „Wenn Ausgaben an einer Stelle steigen, bedeutet das für arme Menschen immer Abstriche an anderer Stelle.“

Zwar könnten Mieter:innen laut Bosse vom erfolgreichen Volksentscheid zu ambitionierteren Klimaschutzzielen profitieren – durch bessere Dämmung und geringeren Energieverbrauch –, doch kurzfristig bleibe die Lage angespannt.

Betroffene spricht auf Armutsgipfel

Wie drastisch Armut sich auswirken kann, schildert Erika H. bei dem Armutsgipfel. „Ich habe meine Wohnung verloren und mich außerhalb der Demokratie wiedergefunden. Der Rechtsstaat greift für mich nicht mehr. Jobcenter und Behörden nehmen Menschen wie mich nicht ernst – wir erleben viel Willkür. Das System straft uns eher ab, anstatt zu helfen.“ Armut sei in Deutschland ein ‘unangenehmes Thema‘“, sagt sie, „man versucht uns aus der öffentlichen und politischen Debatte auszuschließen“.

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Einig waren sich alle beteiligten Verbände: Der Senat müsse handeln. Bildung, Wohnen und soziale Teilhabe müssten zusammengedacht werden. „Wir wollen der Politik Druck machen“, heißt es aus den Reihen der Veranstalter. Nur durch eine umfassende Strategie aus Sozial-, Wirtschafts- und Wohnungspolitik könne Hamburg gerechter werden.

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