Steffen Baumgart und Ludovit Reis am Spielfeldrand

Ex-HSV-Coach Steffen Baumgart führte Ludovit Reis und Co. nicht zum Aufstieg. Foto: WITTERS

Reis, Selke, HSV-Bosse: Ehrliche Worte über das „traurige“ Baumgart-Aus

kommentar icon
arrow down

Unter dem Strich passte es auf sportlicher Ebene nicht zwischen dem HSV und Steffen Baumgart. Dieser Eindruck verschärfte sich während der Amtszeit des Ex-Trainers, die im Februar 2024 begann und nur neun Monate später wieder endete, immer mehr. Und auch mit etwas zeitlichem Abstand zu Baumgarts Aus im Volkspark haben die Protagonisten von damals eingestanden: Da stimmte vieles nicht. Zu viel, wie in der OMR-Aufstiegsdoku noch einmal deutlich wurde. Darin wählten auch Davie Selke und Ludovit Reis ehrliche Worte.

Reis: „Das hat leider nicht so geklappt“

„Steffen hat auch alles rausgehauen hier in Hamburg, er wollte natürlich Erfolg haben“, sagt Reis in der zweiten Folge der sechsteiligen Serie, ehe er mit Blick auf seinen ehemaligen Trainer zu dem Schluss kommt: „Das hat leider nicht so geklappt, wie er es gedacht hat.“ Im Fall von Reis kam hinzu, dass er unter Baumgart teils auf einer Position spielte, die ihm nicht zusagte: rechts hinten. Unter Merlin Polzin kam der Niederländer in der Aufstiegssaison wieder nur noch im Zentrum zum Einsatz, wurde zu einem der großen Helden, ehe er im Sommer nach Brügge wechselte.

Reis ist also nicht dabei, wenn der HSV am Sonntagabend (19.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) beim neuen Klub von Baumgart antritt, der rotgesperrt nicht an der Seitenlinie stehen darf. Zu vielen Wiedersehen kommt es rund um das Spiel bei Union Berlin aber trotzdem, etwa zwischen dem Fußballlehrer und Jonas Meffert.

Meffert schätzt Baumgart menschlich hoch ein

Auch der Abräumer des HSV äußerte sich in der Dokumentation über die Entlassung, die mittlerweile zehn Monate zurückliegt. „Ich war bei Steffen traurig“, sagt Meffert in „Always Hamburg“. „Weil ich ihn als Menschen geschätzt habe, er ehrlich war und weil er vor allem immer hinter mir stand.“ Auch andere (Ex-)HSV-Profis spürten stets Rückendeckung von Baumgart.



Davie Selke war im Vorjahressommer sogar auf ausdrücklichen Wunsch des Coaches vom 1. FC Köln nach Hamburg gewechselt. In der Doku erzählt der Stürmer, der bereits in der Domstadt mit Baumgart zusammengearbeitet hatte: „Er hat schon beim FC immer vom HSV gesprochen.“ Insofern erfüllte sich für den heute 53-Jährigen ein Traum, als er vor 19 Monaten im Volkspark vorgestellt wurde.

Selke: Entscheidung der HSV-Bosse war alternativlos

Baumgart führte den HSV in der Rückrunde 2023/24 aber nicht zum Aufstieg – und sorgte trotz der Selke-Verpflichtung auch in der darauffolgenden Saison nicht konstant genug für Erfolg. „Dass es nicht funktioniert hat, tut mir für ihn persönlich leid“, sagt Selke über Baumgart, der für ihn stets eine Vertrauensperson war. Deshalb weiß er: „Das ist ein Thema, das nicht spurlos an Steffen vorbeigegangen ist.“

Von Ex-Trainer Steffen Baumgart hat Davie Selke (l.) nach wie vor eine hohe Meinung. WITTERS
Steffen Baumgart und Davie Selke umarmen sich
Von Ex-Trainer Steffen Baumgart hat Davie Selke (l.) nach wie vor eine hohe Meinung.

Selke kann aber gut einschätzen, dass die Entscheidung der HSV-Bosse, sich nach dem 13. Spieltag der Vorsaison von Baumgart zu trennen, alternativlos war. „Ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir am Ende gespielt haben, nicht mehr ganz das war, wofür er immer stand“, beschreibt Selke. „Warum das so war, ist schwer zu beurteilen.“

Kuntz gab Baumgart trotz Krise noch eine Chance

Das erkannte aber auch Stefan Kuntz, der sich im Herbst 2024 wunderte, wie sich die HSV-Profis unter Baumgart präsentierten. Die OMR-Kameras waren dabei, als der Sportvorstand nach dem 1:3 in Braunschweig mit Finanzboss Eric Huwer zurück nach Hamburg fuhr. Es war Baumgarts vorletztes HSV-Spiel – und schon da bedauerte Kuntz: „Das Schlimme ist, dass die Mannschaft nicht Steffen Baumgart widerspiegelt. Die Mannschaften von Steffen hatten bisher immer Einsatz, Laufbereitschaft, Zweikampfstärke, Einstellung. Der eine ist noch für den anderen da.“

Das war unter Baumgarts Regie beim 1. FC Köln so – beim HSV registrierten das die Verantwortlichen vor knapp einem Jahr aber nicht mehr. Trotzdem entschied Kuntz, Baumgart trotz der ernüchternden Pleite in Braunschweig am 8. November 2024 noch eine Chance zu geben. Denn es war Länderspielpause. Und der Ex-Trainer habe zu ihm gesagt: „Pass auf, ich mache noch diese Länderspielpause, ich will das System umstellen und den alten Steffen-Baumgart-Fußball spielen.“ Kuntz berichtet, dass Baumgart ihm damals versprochen habe: „Ich nutze die Zeit!“ Und darauf vertraute der HSV-Boss, der sich dachte: „Diese Zeit gibst du ihm noch, das fand ich fair. Und dann kam ja dieses Schalke-Spiel …“ Das 2:2 nach 2:0-Führung am 23. November – die letzte Partie vor Baumgarts HSV-Ende.

Steffen Baumgart, Claus Costa und Stefan Kuntz (v.l.) arbeiteten beim HSV nur rund neun Monate lang zusammen. imago images/Oliver Ruhnke
Steffen Baumgart, Claus Costa und Stefan Kuntz am Spielfeldrand im Gespräch
Steffen Baumgart, Claus Costa und Stefan Kuntz (v.l.) arbeiteten beim HSV nur rund neun Monate lang zusammen.

Nach dem enttäuschenden Remis teilte Kuntz dem gebürtigen Rostocker mit, dass er etwas Neues ausprobieren müsse auf dem Trainerstuhl. Baumgart akzeptierte das, hatte es sogar kommen sehen. Weil er die Mechanismen im Fußballgeschäft kennt. Im Volkspark spricht man auch deshalb noch sehr positiv von dem heutigen Union-Coach.

„Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis, haben uns super ausgetauscht“, erzählt Kuntz in der Doku. „Ich konnte ihm immer alles sagen, die Meinung, die ich hatte. Ich konnte bei ihm alles hinterfragen – umgekehrt ganz genauso. Steffen ist einer der selbstkritischsten Menschen, die ich kennengelernt habe.“ Das hinterließ bei Kuntz Eindruck.

HSV-Sportdirektor Costa: „Nie eine volle Überzeugung“

Über Baumgarts Ära im Volkspark bleibt dennoch stehen, dass er es nicht geschafft hat, seinen Herzensverein zurück in die Bundesliga zu führen. Sportdirektor Claus Costa erklärt das in der Doku so: „Diese Passung aus dem Kader und der Spielidee von Steffen – da eine gute Mischung zu finden, war nicht so einfach.“ Baumgart, räumt Costa ein, „hätte lieber etwas anderes gespielt als die Spielerqualität oder Spielerprofile es hergegeben haben. Dementsprechend war nie so eine volle Überzeugung in den Herangehensweisen da“.

Das könnte Sie auch interessieren: Erstaunlich! Darum ist ein HSV-Profi der beste Passgeber der Bundesliga

Mehr noch: Costa sagt im Rückblick, dass man unter Baumgart „nie das Gefühl“ gehabt habe, „dass es sich stimmig und richtig auf dem Weg nach oben anfühlt“. Deshalb handelten die Bosse. Am Sonntag, zehn Monate später, sehen sie Baumgart wieder.

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test