Dortmunder Nerv-Thema: Immer wieder Bellingham
Bellingham ist nicht gleich Bellingham, das vermittelt der kleine Bruder schon auf seinem Trikot. „JOBE“ steht dort, nicht der prominente Nachname – aber dennoch, na klar, wird der „Königstransfer“ von Borussia Dortmund ständig mit dem großen, zwei Jahre älteren Real-Madrid-Superstar Jude verglichen. Es ist wohl unvermeidbar.
Wenn Lars Ricken, Sebastian Kehl oder Niko Kovac nun mit Minuten-Statistiken vorgerechnet wird, dass ein (seit Dienstag) 20-Jähriger auf erster Auslandsstation nach wenigen Saisonspielen noch nicht – immer noch nicht!! – die prägende Figur eines Topklubs ist: Dann wirkt es, als würden sich die Verantwortlichen mit Mühe ein 360-Grad-Augenrollen verkneifen.
„Wir“, also die Journalisten, sagte Trainer Kovac mit dem Timbre eines schützenden Vaters, „müssen jetzt nicht irgendwas schreiben, was total unwichtig ist.“ Er verstehe „diese Fragerei, doch wir sind beim BVB. Hier ist sehr viel Konkurrenz und Qualität.“ Auch Sportdirektor Kehl und Sport-Geschäftsführer Ricken wollen, das ist absolut verständlich, nicht „alle drei Tage ein Thema um Jobe haben“.
Bellingham Vater stellte Kehl zur Rede
Dumm nur, dass Bellinghams erste Auswechslung in der Bundesliga gleich einen Eklat nach sich zog. Sein Vater Mark stürmte nach dem 3:3 beim FC St. Pauli am ersten Spieltag in den Kabinengang, um Kehl zur Rede zu stellen. Der Sportdirektor musste sich derlei Theater öffentlich verbitten. Das war einerseits peinlich, andererseits hatte Mark Bellingham den Ton gesetzt: Mein Sohn spielt hier gefälligst! Das dokumentierte einen hohen Anspruch – und einen Hang zur Selbst- und Sohnesüberschätzung.
Wer Niko Kovac kennt, weiß, dass ihm das überhaupt nicht gefallen hat. Am zweiten Spieltag stand Jobe Bellingham noch in der Startelf, danach weder beim 1. FC Heidenheim noch gegen den VfL Wolfsburg oder bei Juventus Turin in der Champions League. Er wurde jeweils eingewechselt – ganz normal für jemanden, der sich einfinden muss. Kovac ist kein Abstrafer, er trägt Bellingham nichts nach, aber die Alternativen sind stark.
Fünf Nationalspieler für zwei Positionen
„Felix Nmecha ist deutscher Nationalspieler, Pascal Groß ist deutscher Nationalspieler, Marcel Sabitzer ist österreichischer Nationalspieler, Salih Özcan ist türkischer Nationalspieler“, zählte Kovac auf. „Jobe Bellingham ist englischer Nationalspieler.“ Fünf für zwei Positionen auf der Doppelsechs, also. Auf der ist Nmecha derzeit gesetzt – also vier für einen Platz.
Kovac wirbt um Geduld. Er wisse um Bellinghams Qualitäten, Jobe sei jung und „neu bei uns“. Daran muss man sich zwischenzeitlich erinnern, denn auch des Namens wegen fühlt es sich für viele anders an. Ein ähnliches Alter, ein ähnlicher Karriere-Weg, hinzu kommt, dass Jobe Bellingham seinem Bruder optisch stark ähnelt.
Jobe „ein anderer Spieler“ als sein Bruder
„Jobe ist ein wirklich guter Spieler, aber er wird oft mit seinem Bruder verglichen“, hat Mitspieler Karim Adeyemi erkannt. „Das ist nicht einfach für Jobe. Denn er ist ein anderer Spieler“, sagte er.
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Einer, der wohl noch etwas Zeit braucht. Auch dem jüngeren Bellingham, in mehr als 100 Zweitliga-Einsätzen in England gestählt, kann eine große Karriere bevorstehen – sie ist eben keine Selbstverständlichkeit. An Geduld wird es nicht mangeln: „Wir denken nicht in Tagen oder Wochen”, sagt Lars Ricken. „Wir denken in Jahren.“ (sid/sd)
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